Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung
jetzt verbissen an. Stefan war angespannt, sein Mund eine dünne Linie. „Du weißt, daß ich das nie tun würde. Aber ich dachte, du wärst diejenige, die soviel Wert auf Ehrlichkeit in einer Partnerschaft legt.“ „Also gut. Caroline war biestig wie immer und hat sich ihren Mund über den Mörder zerrissen. Na und? Geht dich das etwas an?“ „Ja“, erwiderte Stefan brutal und direkt, „weil sie nämlich recht haben könnte.
Nicht über den Mörder, sondern, was dich betrifft. Genauer gesagt, was dich und mich betrifft. Ich hätte voraussehen müssen, daß das passieren würde. Und es ist nicht nur sie, stimmt's? Ich habe den ganzen Tag über die Feindseligkeit und die Angst gespürt. Aber ich war zu müde, um zu versuchen herauszufinden, was genau vorgeht. Sie halten mich für den Mörder und lassen es an dir aus.“ „Was die anderen denken, ist mir egal! Sie haben unrecht, und eines Tages werden sie es einsehen. Dann wird alles wieder wie früher. Ein wehmütiges Lächeln spielte um seine Lippen. „Das glaubst du wirklich, nicht wahr?“ Er schaute fort, und sein Gesicht verhärtete sich.
„Und was ist, wenn sie's nicht einsehen? Wenn alles noch schlimmer wird?“ „Was willst du damit sagen?“ „Es ist vielleicht besser...“ Stefan holte tief Luft und fuhr behutsam fort. „Es ist vielleicht besser, wenn wir uns eine Weile nicht sehen. Wenn sie denken, daß wir nicht mehr zusammen sind, lassen sie dich in Ruhe.“ Sie starrte ihn an. „Und du könntest das fertigbringen? Mich nicht mehr zu treffen oder mit mir zu reden, egal, wie lange es auch dauert?“ „Wenn es nötig ist, ja.
Wir könnten so tun, als hätten wir Schluß gemacht.“ Elena starrte ihn einen weiteren Moment an. Dann trat sie an ihn heran. So nah, daß sie sich fast berührten. Er mußte zu ihr hinunterschauen. Seine Augen waren wenige Zentimeter von den ihren entfernt.
den ihren entfernt. „Es gibt nur einen Weg, mich dazu zu bringen, der ganzen Schule zu erklären, daß wir Schluß gemacht haben. Und dazu mußt du mir sagen, daß du mich nicht liebst und nie mehr wiedersehen willst. Sag es mir jetzt, Stefan. Sag mir, daß du nicht mehr mit mir zusammensein willst.“ Er hielt den Atem an und sah sie an. „Sag es!“ befahl sie ihm. „Sag mir, daß du es ohne mich aushältst, Stefan. Sag es mir...“ Sie kam nicht dazu, den Satz zu Ende zu sprechen, denn seine Lippen senkten sich auf die ihren.
6. KAPITEL
Stefan saß im Wohnzimmer der Gilberts und stimmte höflich allem zu, was Tante Judith sagte. Die ältere Dame fühlte sich in seiner Gegenwart unwohl. Man brauchte nicht Gedanken lesen zu können, um das zu spüren. Aber sie gab sich große Mühe, genau wie Stefan auch. Er wollte, daß Elena glücklich war.
Elena. Selbst, wenn er sie nicht ansah, war er sich ihrer mehr bewußt als aller anderen Dinge in diesem Zimmer. Er liebte sie so sehr. Und er sah in ihr auch nicht mehr Katherine. Er hatte fast vergessen, wie sehr sie dem toten Mädchen glich.
Außerdem gab es viele Unterschiede. Elena hatte das gleiche hellblonde Haar, die gleiche makellose weiße Haut und die gleichen, zarten Gesichtszüge wie Katherine. Aber hier endete die Ähnlichkeit auch schon.
Ihre Augen, die jetzt im Schein des Feuers violett wirkten, aber normalerweise tiefblau waren, blickten weder ängstlich noch so kindlich wie die von Katherine. Im Gegenteil, sie waren das Fenster zu ihrer Seele, die wie eine helle Flamme hinter ihnen brannte. Elena war Elena, und sie hatte den sanften Geist der toten Katherine aus seinem Herzen vertrieben.
Doch es war auch Elenas Stärke, die ihre Liebe so gefährlich machte. Er hatte ihr letzte Woche nicht widerstehen können, als sie ihm ihr Blut angeboten hatte. Gut, er wäre vielleicht ohne ihre Hilfe gestorben, aber es war viel zu früh für Elenas eigene Sicherheit gewesen. Zum hundertstenmal glitt sein Blick über Elenas Gesicht und suchte nach den Merkmalen der Verwandlung. War ihre weiße Haut schon bleicher? Ihr Ausdruck abwesender?
Sie mußten von nun an sehr vorsichtig sein. Vor allem er mußte mehr aufpassen. Er mußte sichergehen, daß er immer gesättigt war, damit er nicht in Versuchung geriet. Niemals durfte er das Verlangen zu stark werden lassen. Jetzt, wo er daran dachte, wurde er hungrig. Der trockene Schmerz, das Brennen breitete sich in seinen Kiefern aus, fuhr durch seine Adern. Er sollte jetzt draußen im Wald sein, alle Sinne geschärft beim kleinsten Knacken der dürren Zweige, die
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