Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung
eines Raubtiers. Vickie hatte so ausgesehen, als sie sich ausgezogen hatte. Und es lag etwas Beunruhigendes, Hungriges in Elenas Lächeln.
Während sie stillstand und sich betrachtete, begann das Bild sich plötzlich zu drehen, als würde es tanzen. Entsetzen packte Elena. Sie rannte den Flur hinunter. Aber die Spiegelbilder waren zu eigenem Leben erwacht. Sie drehten sich, lockten sie und lachten sie aus. Gerade als Elena glaubte, Herz und Lunge müßten ihr platzen, hatte sie das Ende des Flures erreicht und riß eine Tür auf.
Sie fand sich in einem großen, wunderschönen Saal wieder. Die hohe Decke war mit Stuck verziert und vergoldet, die Türen von weißem Marmor umrahmt. Klassische Statuen standen in den Nischen an den Wänden. Elena hatte noch nie einen so prunkvollen Raum gesehen, aber sie wußte, wo sie war. Im Italien der Renaissance, der Zeit, in der Stefan gelebt hatte.
Sie blickte an sich herunter und sah, daß sie ein Kleid trug, ähnlich wie das, das sie sich zum Halloween-Fest hatte schneidern lassen. Das Kostüm war ein hellblaues Ballkleid im Stil der Renaissance gewesen. Doch dieses Kleid hier war tiefrot, und um die Hüften trug sie einen dünnen Gürtel, der mit strahlendroten Steinen besetzt war. Die gleichen Steine funkelten in ihrem Haar. Wenn sie sich
bewegte, schimmerte die Seide wie Flammen im Schein von Hunderten von Kerzen. Am anderen Ende des Saals gingen zwei große Türen auf. Eine Gestalt erschien zwischen ihnen.
Sie kam auf Elena zu. Es war ein junger Mann, ebenfalls im Stil der Renaissance gekleidet. Er trug ein Wams, enge Hosen und eine pelzgeschmückte Lederjacke.
Stefan! Elena rannte ihm freudig entgegen. Sie fühlte, wie die schweren Falten ihres Kleides ihre Beine umschmeichelten.
Doch als sie näher kam, hielt sie inne und zog scharf die Luft ein. Es war Damon!
Arrogant und lässig schritt er auf sie zu. Er lächelte herausfordernd. Als er Elena erreicht hatte, legte er eine Hand auf sein Herz und verbeugte sich. Dann hielt er ihr die Hand hin, als wollte er sie auffordern, sie zu nehmen. „Möchtest du tanzen?“ fragte er. Seine Lippen bewegten sich nicht. Sie hörte die Stimme in ihrem Kopf.
Ihre Angst wich, und sie lachte. Was war bloß mit ihr los gewesen, daß sie sich jemals vor ihm gefürchtet hatte? Sie verstanden sich doch sehr gut. Statt seine Hand zu nehmen, drehte sie sich um. Die Seide ihres Kleides raschelte.
Leichtfüßig ging sie zu einer der Statuen, ohne zurückzusehen, ob er ihr folgte. Sie wußte es auch so.
Sie tat, als sei sie ganz in die Betrachtung des Kunstwerks vertieft, und wenn er sie fast erreicht hatte, ging sie weiter.
Dabei mußte sie sich auf die Lippen beißen, um nicht zu lachen. Sie fühlte sich einfach herrlich. So lebendig, so wunderschön. Gefährlich? Natürlich war dieses Spiel gefährlich. Aber sie hatte immer schon das Prickeln der Gefahr genossen.
Als er das nächste Mal hinter ihr stand, warf sie ihm im Gehen einen neckischen Blick zu. Er griff nach ihr, bekam aber nur den juwelenbesetzten Gürtel um ihre Taille zu fassen. Abrupt ließ er ihn los. Elena schaute zurück und sah, daß er sich an einem der scharfen Edelsteine geschnitten hatte.
Der Tropfen Blut an seinem Finger hatte genau die Farbe ihres Kleides. Seine Augen blitzten, und er schenkte ihr ein herausforderndes Lächeln, als er den verletzten Finger hochhielt. Du würdest es nicht wagen, sagte sein Blick. Oh?
Würde ich nicht? erwiderte Elena mit ihren eigenen Blicken.
Kühn griff sie nach seiner Hand, hielt sie einen Moment fest, um ihn noch mehr zu reizen. Und dann hob sie langsam den Finger an ihre Lippen.
Einige Momente später ließ sie ihn wieder los und sah Damon an. „Ich tanze sehr gern“, sagte sie und merkte, daß auch sie mit ihm reden konnte, ohne die Lippen zu bewegen. Diese Erkenntnis berauschte sie fast. Sie ging zur Mitte des Saals und wartete.
Er folgte ihr geschmeidig wie ein Jäger, der seine Beute verfolgt. Seine Finger waren warm und hart, als sie die ihren umschlangen.
Die Musik spielte, verstummte mitunter, setzte dann wieder ein und klang, als käme sie aus weiter Ferne. Damon legte seine andere Hand um ihre Taille. Sie fühlte den Druck seiner Finger. Dann hob sie graziös ihre Röcke hoch, und sie begannen zu tanzen.
Es war wunderschön, berauschend, als würde sie fliegen, und ihr Körper kannte instinktiv jede Bewegung. In perfektem Einklang tanzten sie leichtfüßig durch den leeren Saal.
Damon lachte sie an, seine
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