Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung
jemand hinten aus der Cafeteria: „Ausziehen! Ausziehen!“ Andere stimmten ein, und bald hallte der ganze Raum von den Rufen wider.
„Warum tut keiner was, um sie aufzuhalten?“ Bonnie schäumte.
Elena stand auf. Als sie sich Vickie das letzte Mal genähert hatte, hatte das Mädchen geschrien und um sich geschlagen.
Aber jetzt lächelte Vickie sie nur verschwörerisch an. Ihre Lippen bewegten sich, doch Elena konnte über das laute Rufen nicht hören, was sie sagte.
„Komm, Vickie, gehen wir“, bat sie.
Vickie warf ihr hellbraunes Haar zurück und spielte mit den Trägern ihres BHs. Elena hob die Jacke auf und legte sie um die schlanken Schultern des Mädchens. Als sie Vickie berührte, schien diese wie aus einem Traum zu erwachen. Sie sah entsetzt an sich hinunter. Dann blickte sie mit wildem Ausdruck in die Menge. Zitternd wickelte sie sich fest in ihre Jacke und stolperte unsicher.
In der Cafeteria herrschte wieder völlige Stille. „Es ist alles okay“, versuchte Elena sie zu beruhigen. „Komm schon.“ Beim Klang von Elenas Stimme fuhr Vickie zusammen, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen. Sie starrte Elena an. „Du bist eine von ihnen!“ schrie sie plötzlich. „Ich hab dich gesehen! Du bist böse!“ Sie drehte sich um und rannte barfuß aus der Cafeteria. Elena blieb taub vor Schock zurück.
8. KAPITEL
„Wißt ihr, was noch merkwürdig war an der Sache, die Vickie heute in der Schule abgezogen hat? Außer dem kleinen Striptease?“ Bonnie leckte sich genüßlich den Schokoladenguß ihres Kuchens von den Fingern.
„Was?“ fragte Elena gleichgültig.
„Nun, am Schluß ihrer Vorstellung hat sie in ihrer Unterwäsche dagestanden. Genauso haben wir sie damals nachts auf der Straße gefunden. Nur die Kratzer fehlten.“ „Von denen wir glaubten, daß sie von einer Katze stammten.“ Meredith aß ihren letzten Bissen Kuchen. Sie schien sehr nachdenklich zu sein und musterte Elena scharf. „Aber das ist eigentlich nicht sehr wahrscheinlich.“ Elena hielt ihrem Blick stand. „Vielleicht war sie in ein Dornengestrüpp gefallen“, erklärte sie. „Seid ihr jetzt endlich mit Essen fertig? Dann können wir uns nämlich der ersten Nachricht aus meinem Tagebuch widmen.“
Die drei stellten die Teller in die Spüle und gingen hoch in Elenas Zimmer. Elena spürte, wie sie rot wurde, als Bonnie und Meredith das erste Zitat aus dem Tagebuch lasen. Doch die beiden waren ihre besten Freundinnen, vielleicht sogar ihre einzigen. Sie hatte ihnen schon früher aus ihrem Tagebuch vorgelesen. Aber das hier war anders. Elena hatte sich noch nie so gedemütigt gefühlt. „Nun?“ sagte sie schließlich zu Meredith.
„Die Person, die das geschrieben hat, ist zwei Meter groß, hinkt leicht und trägt einen falschen Schnurrbart“, entfuhr es Meredith. „Tut mir leid“, fügte sie sofort hinzu, als sie Elenas Gesicht sah. „Das war nicht komisch. Eigentlich haben wir nichts, womit wir etwas anfangen könnten. Die Schrift sieht aus wie die eines Mannes, aber das Papier ist eindeutig mehr was für Frauen.“
„Das Ganze riecht sowieso eher nach weiblicher List.“ Bonnie wippte auf Elenas Bett auf und ab. „Denkt doch mal nach. Dir Zitate aus deinem eigenen Tagebuch zu schicken, darauf kommt nur eine Frau. Jungs interessieren sich nicht für so was.“
„Du möchtest nur Damon da raushalten“, sagte Meredith. „Ich kenne dich doch. Als Dieb ist er dir zu langweilig. Als Psychokiller würde er deine Phantasie mehr auf Touren bringen.“
„Ich weiß nicht. Killer haben etwas Romantisches an sich. Stell dir vor, du spürst seine kräftigen Hände an deiner Kehle. Er schnürt dir langsam die Luft ab, bis du stirbst. Und als letztes siehst du sein Gesicht.“ Bonnie legte sich die Hände um den Hals und starb auf Elenas Bett einen dramatischen Erstickungstod. „Das könnte er jeder Zeit bei mir machen“, seufzte sie mit geschlossenen Augen. Elena lag es auf den Lippen, Bonnie eindringlich klarzumachen, daß das Ganze bitterernst und kein Spiel war. Statt dessen stieß sie nur hervor: „Oh, nein“, und lief rasch zum Fenster. Die Luft im Zimmer war stickig gewesen, und das Fenster stand weit auf.
Draußen in den kahlen Ästen des Quittenbaums saß eine Krähe.
Elena riß das Fenster so heftig herunter, daß das Glas klirrte.
Die Krähe sah sie durch die zitternde Scheibe mit kalten, schwarzen Augen an. Ihr glattes Gefieder schimmerte in allen Regenbogenfarben.
„Kannst du nicht
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