Tagebuch Eines Vampirs 05. Rückkehr Bei Nacht
Wiedersehensfreude aus.« Aber der Kuss, den er auf die Innenfläche von Misaos Hand drückte, war kaum brüderlich zu nennen. »Nur zu«, fügte er schnell an Caroline gewandt hinzu. »Du wählst den ersten Akt des Mondspier-Festivals! Was sollen wir mit der Kleinen machen?«
Caroline begann Misao nachzuahmen und küsste Shinichi auf die Wange und das Ohr. »Ich bin ein Neuling«, sagte sie kokett. »Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich aussuchen soll.«
»Dumme Caroline. Du sollst natürlich aussuchen, wie sie stir...« Shinichi brach plötzlich ab, weil seine Schwester ihn abermals stürmisch in die Arme zog und küsste.
Caroline, die sich offensichtlich gewünscht hatte, dass die Hauptaufmerksamkeit ihr gelten würde, selbst wenn sie das Geschehen nicht verstand, sagte mürrisch:
»Nun, wenn du es mir nicht verrätst, kann ich nichts aussuchen. Und überhaupt, wo ist eigentlich Elena? Ich sehe sie nirgends!« Sie schien noch mehr sagen zu wollen, als Damon sich anmutig auf sie zubewegte und ihr etwas ins Ohr flüsterte.
Dann lächelte sie wieder und sie beide betrachteten die Kiefern rund um die Pension.
Das war der Moment, in dem Elena zum zweiten Mal Bedenken kamen. Aber Misao sprach bereits wieder und das erforderte Elenas volle Aufmerksamkeit.
»So ein Glück! Dann werde ich etwas aussuchen.« Misao beugte sich vor, die dunklen Augen weit aufgerissen, und betrachtete über den Rand des Daches hinweg die Menschen darunter und erwog die verschiedenen Möglichkeiten, die ihnen die kahle Lichtung bot. Sie war so zart, so anmutig, als sie sich erhob, um nachdenklich auf und ab zu gehen; ihre Haut war so hell und ihr Haar so glänzend und dunkel, dass selbst Elena den Blick nicht von ihr abwenden konnte.
Dann leuchtete Misaos Gesicht auf und sie sprach. »Leg sie auf den Altar. Du hast einige deiner Halbblüter mitgebracht?«
Das Letzte war weniger eine Frage als ein aufgeregter Ausruf.
»Meine Experimente? Natürlich, Liebling. Das habe ich dir doch erzählt«, erwiderte Shinichi und fügte, während er in den Wald schaute, hinzu: »Zwei von euch - ähm, Männern - und Old Faithful!«
Er schnippte mit den Fingern. Was folgte, war ein minutenlanges Chaos, während dessen die Menschen um Bonnie herum geschlagen, getreten, zu Boden geworfen und zerquetscht wurden, als sie mit den Schatten kämpften. Und dann schlurften Kreaturen voran; sie trugen gemeinsam die erschlaffte Bonnie.
Die Halbblüter hatten etwas von Menschen und etwas von Bäumen, denen man all ihre Blätter abgezogen hatte. Falls sie gemacht worden waren, dann hatte man sie offensichtlich eigens dazu geschaffen, grotesk und asymmetrisch auszusehen.
Einer hatte einen schief stehenden, knotigen linken Arm, der ihm fast bis zu den Füßen reichte, und einen rechten Arm, der dick und klumpig war und an seiner Taille endete.
Sie waren grauenvoll. Ihre Haut ähnelte dem chitinartigen Panzer von Insekten, war aber viel klumpiger, mit Astlöchern und Auswüchsen, wie die Borke eines Baumstamms. An manchen Stellen sahen sie zottig und geradezu abgebrochen aus.
Sie waren beängstigend. Ihre Glieder waren verdreht, sie schlurften vorwärts wie Affen, ihre Körper waren gekrönt von baumähnlichen Karikaturen menschlicher Gesichter, und auf ihren Köpfen thronte ein Gewirr dünnerer Zweige, die in seltsamen Winkeln abstanden - sie sahen aus wie Kreaturen eines Albtraums.
Und sie waren nackt. Sie hatten keinerlei Kleider, um die grauenhaften Verformungen ihrer Körper zu verdecken.
Und dann wusste Elena, was Entsetzen wirklich bedeutete, als zwei der schlurfenden Malach die kraftlose Bonnie zu einer Art grob behauenem Baumstumpf wie zu einem Altar trugen, sie darauflegten und unbeholfen begannen, mit ihren astähnlichen Fingern an den vielen Schichten ihrer Kleidung zu zupfen und zu ziehen - Fingern, die dabei mit leisen, knackenden Geräuschen abbrachen. Aber es schien sie nicht zu kümmern, dass ihre Finger abbrachen -
solange sie nur ihre Aufgabe erfüllten.
An ihrem Ziel angekommen, benutzten sie abgerissene Stofffetzen, um Bonnie -
noch unbeholfener - mit gespreizten Gliedern an vier knotige Pfähle zu fesseln.
Diese Pfähle hatten sie zuvor von ihren eigenen Körpern abgebrochen und der Malach mit dem dicken Arm hatte sie mit vier mächtigen Schlägen in den Boden rund um den Baumstumpf gehämmert.
In der Zwischenzeit kam von irgendwo, tief aus den Schatten, ein dritter Baummensch herbeigeschlurft. Elena sah, dass dieser unleugbar,
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