Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
zu benutzen schien.
» Jede Art von Harfe hat einen individuellen Schlüssel zum Stimmen der Saiten«, flüsterte Meredith, die durch die Halle schaute, an deren Seitenwänden sich je eine Reihe von Harfen bis in die Ferne erstreckten. » Einer dieser Schlüssel könnte also der Schlüssel sein«, gab sie mit Blick auf Bonnie zu.
» Aber woher sollen wir das wissen?« Bonnie fächelte sich mit dem Pfauenfedernfächer Luft zu. » Was ist der Unterschied zwischen einem Harfenschlüssel und dem Fuchsschlüssel?«
» Keine Ahnung. Und ich habe auch noch nie davon gehört, dass ein Schlüssel in einer Harfe aufbewahrt wird. Er würde, wann immer die Harfe auch nur geringfügig bewegt wird, im Klangkörper herumklappern«, gab Meredith zu.
Elena biss sich auf die Unterlippe. Es war im Grunde eine einfache, vernünftige Frage. Aber eigentlich hätte sie entsetzt sein sollen, hätte sich fragen sollen, wie sie an diesem Ort jemals einen kleinen halben Schlüssel finden konnten. Vor allem angesichts des Umstandes, dass der Hinweis, den sie hatten– der Schlüssel befinde sich in dem Instrument der Silbernen Nachtigall–, plötzlich absurd wirkte.
» Ich nehme nicht an«, sagte Bonnie ein wenig beschwipst, » dass das Instrument ihre Stimme ist und dass wir, wenn wir ihr in den Hals greifen würden…«
Elena drehte sich zu Meredith um, die zur Decke hinaufblickte.
» Vielleicht«, sagte Meredith, » gibt es eine andere Erklärung. Es ist gut möglich, dass hier nachher kleine silberne Pfeifen oder Instrumente verschenkt werden– es war früher auf allen großen Partys so Sitte, dass man den Gästen ein Geschenk machte.«
» Aber wie«, sagte Damon in einem bewusst ausdruckslosen Tonfall, » hätten die Kitsune den Schlüssel wohl in ein Abschiedsgeschenk für eine Party bekommen sollen, die erst einige Tage später stattfindet? Und wie konnten sie dann damit rechnen, den Schlüssel jemals wiederzubekommen? Da hätte Misao Elena ebenso gut sagen können: ›Wir haben den Schlüssel weggeworfen. ‹ «
» Nun«, begann Meredith, » ich bin mir ganz und gar nicht sicher, ob sie wirklich wollten, dass die Schlüssel wiederzufinden sind, nicht einmal von ihnen selbst. Und Misao könnte auch gemeint haben: ›Du musst den gesamten Müll vom Abend dieser Gala durchsuchen ‹ – oder irgendeiner anderen Party, bei der Fazina auftreten wird. Ich schätze, sie wird häufig gebeten, auch bei den Partys anderer Leute ein Konzert zu geben.«
Elena hasste jede Art von Gezänk, obwohl sie selbst eine Meisterin im Zanken war. Aber heute Abend war sie eine Göttin. Und nichts war unmöglich. Wenn sie sich nur erinnern könnte…
Etwas wie ein weißer Blitz zuckte durch ihr Gehirn.
Nur für einen Augenblick– einen einzigen Augenblick– war sie zurück und kämpfte mit Misao. Misao hatte ihre Fuchsgestalt angenommen und biss und kratzte– und knurrte eine Antwort auf Elenas Frage, wo die beiden Hälften des Fuchsschlüssels versteckt seien. » Als würdest du die Antworten verstehen, die ich geben könnte. Wenn ich dir sage, dass einer im Instrument der Silbernen Nachtigall zu finden ist, würde dir das irgendwie weiterhelfen?«
Ja. Das war der genaue Wortlaut gewesen, das waren die wirklichen Worte, die Misao gesprochen hatte. Elena hörte jetzt ihre eigene Stimme, die diese Worte deutlich wiederholte.
Und dann spürte sie, wie eine Art bogenförmiger Blitz ihren Geist verließ– nur um sich nicht allzu weit entfernt mit einem anderen zu treffen. Im nächsten Moment riss sie überrascht die Augen auf, weil Bonnie auf diese leere, tonlose Art sprach, in der sie immer sprach, wenn sie eine Prophezeiung machte:
» Jede Hälfte des Fuchsschlüssels ist geformt wie ein einzelner Fuchs, mit zwei Ohren, zwei Augen und einer Schnauze. Die beiden Fuchsschlüsselhälften sind aus Gold und mit Juwelen besetzt– und ihre Augen sind grün. Der Schlüssel, den ihr sucht, befindet sich noch im Instrument der Silbernen Nachtigall.«
» Bonnie!«, rief Elena. Sie konnte sehen, dass Bonnies Knie zitterten und ihr Blick jede Richtung verloren hatte. Dann klärte sich ihr Blick, sie blinzelte, und Elena beobachtete, wie Verwirrung an die Stelle der Leere trat.
» Was ist los?«, fragte Bonnie, die jetzt sah, dass alle sie anschauten. » Was– was ist passiert?«
» Du hast uns gesagt, wie die Fuchsschlüssel aussehen!« Elena konnte diesen Ausruf nicht ersticken– es war fast ein Freudenschrei. Jetzt, da sie wusste, wonach sie
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