Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
bisher nicht bewusst, aber Lady Ulma hat unsere Kleider nach Vorbildern des Tier- und Fabelreichs entworfen.«
» Hm?« Damon sah wieder auf ihre Kehle. Aber glücklicherweise kam in diesem Moment ein gut aussehender Mann in ganz formeller Kleidung– Smoking, Kummerbund und so weiter– vorbei und bot schwarzmagischen Wein in großen silbernen Kelchen an. Damon leerte seinen Kelch mit einem einzigen Schluck und nahm sich einen zweiten von dem Tablett des Kellners, der sich anmutig verneigte. Dann setzten er und Elena sich an den Rand der hinteren Stuhlreihe, auch wenn es ihrer Gastgeberin gegenüber unhöflich war. Doch sie brauchten eine gewisse Freiheit, um ihr Ziel erreichen zu können.
» Nun, Meredith ist eine Meerjungfrau, und sie benimmt sich wie eine der Sirenen. Bonnie ist ein Vogel, und sie benimmt sich auch wie ein Vogel: Sie beobachtet, wie all die jungen Männer sich zur Schau stellen, während sie lacht. Und ich bin ein Schmetterling– also nehme ich an, dass ich heute Abend auch ein gesellschaftlicher Schmetterling sein werde. Mit dir an meiner Seite, hoffe ich.«
» Wie … niedlich«, sagte Damon. » Aber was genau bringt dich auf die Idee, dass du ein Schmetterling sein sollst?«
» Na, das Design, Dummkopf«, erwiderte Elena, und sie hob ihren Fächer aus Gold, Perlmutt und Diamanten und tippte Damon damit an die Stirn. Dann öffnete sie den Fächer, um ihm die meisterhafte Zeichnung darauf zu zeigen, die dem gleichen Entwurf folgte wie ihre Kette und mit winzigen Diamantpunkten, Gold und Perlmutt geschmückt war, wo die Faltungen des Fächers dem kostbaren Material nichts anhaben konnten.
» Siehst du? Ein Schmetterling«, sagte sie, mehr als zufrieden mit dem Bild.
Mit einem langen, spitz zulaufenden Finger, der Elena so sehr an Stefanos Finger erinnerte, dass ihre Kehle plötzlich wie zugeschnürt war, zeichnete Damon den Umriss nach und hielt bei sechs stilisierten Linien am Kopf des Schmetterlings inne.
» Seit wann haben Schmetterlinge Haare?« Sein Finger bewegte sich zu zwei horizontalen Linien zwischen den Flügeln. » Oder Arme?«
» Das sind Beine«, erklärte Elena ihm erheitert. » Und Fühler. Was für eine Art von Kreatur mit Armen und Beinen und einem Kopf sollte sechs Haare und Flügel haben?«
» Ein beschwipster Vampir«, schlug jemand über ihnen vor, und als Elena aufblickte, sah sie zu ihrer Überraschung Sage. » Darf ich mich zu euch setzen?«, fragte er. » Zu einem Hemd habe ich es zwar nicht gebracht, aber meine gute Fee hat eine Weste heraufbeschworen.«
Lachend rutschten Elena und Damon einen Platz weiter, sodass er sich auf den Gangplatz neben Damon setzen konnte. Er war viel sauberer als an dem Tag, an dem sie ihn das letzte Mal gesehen und er im Haus gearbeitet hatte, obwohl sein Haar immer noch in langen, wilden, ungebärdigen Locken herabfiel. Sie bemerkte jedoch, dass seine gute Fee ihn mit Zeder und Sandelholz parfümiert und ihn mit Jeans und Weste von Dolce & Gabbana ausgestattet hatte. Er sah… magnifique aus. Von seinen Tieren war keine Spur zu entdecken.
» Ich dachte, du würdest nicht kommen«, meinte Elena zu ihm.
» Wie kannst du das sagen? Gewandet wie du bist, in himmlisches Weiß und Gold? Du hast die Gala erwähnt; ich habe deinen Wunsch als Befehl aufgefasst.«
Elena kicherte. Natürlich wurde sie heute Abend von allen etwas anders behandelt. Es lag an dem Kleid. Sage, der etwas von latenter Heterosexualität murmelte, schwor, dass das Gebilde ihrer Kette und auf ihrem Fächer ein Phönix sei. Ein überaus höflicher Dämon zu ihrer Rechten, der dunkelmalvenfarbene Haut und kleine, gewundene weiße Hörner hatte, meinte unterwürfig, für ihn sehe der Entwurf aus wie ein Bildnis der Göttin Ischtar, die ihn anscheinend einige Jahrtausende zuvor in die Dunkle Dimension geschickt hatte, weil er Menschen zur Faulheit verleitet hatte.
Da dachte Elena wieder daran, dass Lady Ulma das Kleid als » Göttinnenkleid« bezeichnet hatte, nicht wahr? Es war gewiss ein Kleid, das man nur tragen konnte, wenn man einen sehr jungen und beinahe perfekten Körper hatte, denn man konnte weder ein Korsett einnähen noch es so drapieren, dass es weniger schmeichelhafte Körperpartien kaschierte. Unter dem Kleid befand sich nur Elenas kräftiger, junger Körper und spärliche, hautfarbene Spitzenunterwäsche. Oh, und ein Spritzer Jasminparfüm.
Also fühle ich mich heute wie eine Göttin, dachte sie und bedankte sich bei dem Dämon (der aufstand und
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