Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
hatte vor der Menge eine Einführungsrede gehalten, er hatte Unsinn geredet und seine Sache sehr gut gemacht. Elena suchte sich ein bestimmtes Fenster im Haus, auf das sie starren konnte. Und dann begriff sie, dass Damon nicht länger sprach.
Eine Berührung des Stocks auf ihrem Rücken. Ein telepathisches Flüstern.
Bist du bereit?
Ja, sagte sie sofort, obwohl sie wusste, dass das nicht stimmte. Und dann hörte sie in dem tödlichen Schweigen ein Zischen in der Luft.
Bonnies Geist floss in ihren hinein. Und auch Meredith’ Geist strömte herein wie ein Fluss. Der Schlag war nicht mehr als ein Knuff, obwohl Elena fühlte, dass Blut floss.
Sie konnte Damons Verwirrung spüren. Was wie ein Schwerthieb hätte sein sollen, war ein bloßer Schlag auf seinem Rücken. Schmerzhaft, aber definitiv erträglich.
Und wieder. Das Triumvirat teilte den Schmerz unter sich auf, bevor Damons Geist ihn empfing.
Und ein drittes Mal.
Zwei Hiebe standen noch aus. Elena ließ den Blick das Haus hinaufwandern. Hinauf in den zweiten Stock, wo Lady Blodwedd erzürnt sein musste angesichts dessen, was aus ihrer Party geworden war.
Nur noch ein Hieb stand aus. Die Stimme eines Gastes wehte zu ihr herüber. » Diese Bibliothek… Sie hat darin mehr Kugeln als die meisten öffentlichen Bibliotheken, und«– der Mann senkte für einen Moment die Stimme–, » es heißt, sie habe dort alles, was es an Kugeln gibt. Verbotene. Ihr wisst schon.«
Elena wusste es nicht und konnte sich kaum vorstellen, was hier verboten sein könnte.
Lady Blodwedd bewegte sich in ihrer Bibliothek, eine einzelne einsame Gestalt in dem strahlend hell erleuchteten Raum auf der Suche nach einer neuen Kugel. Im Haus spielte sicher Musik, in jedem einzelnen Raum eine andere Musik. Doch hier draußen konnte Elena nichts hören.
Der letzte Hieb. Zumindest, dachte Elena, war mein Kleid zuvor schon so rot, dass es jetzt kaum anders aussehen wird.
Und dann war es vorüber, und Meredith und Bonnie stritten mit einigen der Vampirdamen, die helfen wollten, das Blut von Elenas Rücken zu wischen, um zu zeigen, dass er im Sonnenlicht wieder makellos und perfekt war und golden schimmerte.
Du hältst sie besser fern, sandte Elena benommen an Damon, einige von ihnen könnten zwanghafte Nägelkauer oder Fingerlecker oder so was sein. Wir können es uns nicht erlauben, dass irgendjemand mein Blut kostet und die Lebenskraft darin spürt, nicht nachdem ich so viel auf mich genommen habe, um meine Aura zu verbergen.
Obwohl überall geklatscht und gejubelt wurde, hatte niemand daran gedacht, Elenas Handgelenke loszubinden. Also stand sie immer noch an die Säule gelehnt da und schaute zur Bibliothek hinauf.
Und dann gefror die Welt.
Überall um sie herum waren Musik und Bewegung. Sie war der stille Punkt in einem sich drehenden Universum. Aber sie musste in Bewegung kommen, und zwar schnell. Sie riss an ihren Fesseln und schnitt sich dabei die Haut auf.
» Meredith! Binde mich los! Schneide diese Seile auf, schnell!«
Meredith gehorchte hastig.
Als Elena sich umdrehte, wusste sie, was sie sehen würde. Das Gesicht– Damons Gesicht, verwirrt, halb grollend, halb demütig. In diesem Moment tat es ihr gut.
Damon, wir müssen …
Aber dann wurden sie in einen Aufruhr hineingerissen. Gratulanten, Fans, Skeptiker und Vampire baten um » einen winzigen Schluck«, Gaffer wollten sich davon überzeugen, dass Elenas Rücken real war und warm und ungezeichnet. Elena spürte so viele Hände an ihrem Körper.
» Weg von ihr, verflucht sollt ihr sein!« Es war das urtümliche, wilde Brüllen eines Tieres, das seine Gefährtin verteidigte. Die Leute wichen von Elena zurück, nur um sich… Damon zu nähern… sehr langsam und scheu.
In Ordnung, dachte Elena. Ich werde es allein tun. Ich kann es allein tun. Für Stefano kann ich es.
Sie drängte sich durch die Menge, nahm Sträuße hastig ausgegrabener Blumen von Bewunderern entgegen– und spürte weitere Hände an ihrem Körper. » He, sie ist wirklich nicht gezeichnet!« Endlich halfen Meredith und Bonnie ihr, sich aus der Menge zu befreien– ohne sie hätte sie es niemals geschafft.
Und dann rannte sie los, rannte ins Haus und machte sich nicht einmal mehr die Mühe, noch mal dort nachzusehen, wo Saber gebellt hatte. Sie glaubte ohnehin zu wissen, was dort war.
Im ersten Stock zögerte sie eine Minute verwirrt, bevor sie wie aus dem Nichts eine dünne rote Linie entdeckte. Ihr Blut! Wofür es doch alles gut war! In diesem
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