Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
zwei
Möglichkeiten entscheiden: ihr wehzutun oder sie
loszulassen.
In diesem Moment erstarrte Elena jedoch. Sie hatte den
Kopf gedreht und schaute nach hinten.
Stefano schaute ebenfal s hinter sich und spürte, wie ihn
eine Art elektrischer Schlag durchzuckte.
Bonnie stand direkt hinter ihnen und sah Damon an, die
Lippen in tiefster Qual ge?ffnet. Tr?nen str?mten ihr aus
den gro?en braunen Augen ?ber die Wangen.
Sofort, noch bevor er Elenas flehentlichen Blick registrieren
konnte, ließ Stefano sie los. Er verstand: Ihre Stimmung
und die Dynamik dieser Situation waren soeben auf den
Kopf gestel t worden.
Elena zog ihr Handtuch zurecht und wandte sich an Bonnie,
aber inzwischen lief Bonnie durch den Flur davon. Elenas
längere Schritte ermöglichten es ihr, Bonnie eine Sekunde
später einzuholen, und sie hielt das kleinere Mädchen fest,
weniger mit Gewalt als durch eine Art schwesterlichen
Magnetismus. »Mach dir keine Sorgen wegen dieser
Schlange«, konnten sie Elenas Stimme deutlich hören,
was sie offensichtlich beabsichtigte. »Er ist ein …« Und an
dieser Stel e gönnte Elena sich einige sehr kreative Flüche.
Die Schimpftirade verebbte schließlich zu winzigen,
beruhigenden Lauten, als Elena durch die Tür zum
Badesalon trat.
Stefano sah Damon von der Seite an. Jetzt machte es ihm
nicht mehr das Geringste aus, mit seinem Bruder zu
streiten; er war wegen Bonnie selbst vol er Zorn. Aber
Damon ignorierte ihn, als sei er Teil der Tapete, und starrte
mit einem Ausdruck eisiger Wut ins Leere.
In diesem Moment hörte Stefano ein schwaches Geräusch
vom Ende des Flurs, das ein hübsches Stück weit entfernt
war. Aber seine Vampirsinne informierten ihn, dass die
Person dort gewiss eine bedeutende Frau war, vermutlich
ihre Gastgeberin. Er trat vor, sodass sie zumindest von
jemandem begrüßt werden konnte, der Kleidung am Leib
trug.
Doch im letzten Augenblick erschienen Elena und Bonnie
vor ihm, in Kleidern – oder eigentlich Gewändern –, die
sowohl zwanglos waren wie auch die Werke eines Genies.
Elenas Kleid war eine dunkel apislazuliblaue Robe und ihr
Haar trocknete um ihre Schultern herum zu einer weichen
goldenen Masse. Bonnie trug etwas Kürzeres, Hel eres:
blasses Violett, durchschossen mit silbernen Fäden, die
keinem speziel en Muster folgten. Beide Outfits, so begriff
Stefano plötzlich, würden in dem endlosen roten
Sonnenlicht ebenso gut aussehen wie in einem
geschlossenen Raum ohne Fenster und mit Gaslampen.
Er erinnerte sich an die Geschichten, die Elena ihm von
Lady Ulma und den Kleidern erzählt hatte, die eigens für
sie entworfen worden waren, und ihm wurde klar, dass, was
immer seine Gastgeberin sonst noch sein mochte, sie eine
wahrhaft geniale Modeschöpferin war.
Und dann lief Elena los – ihre zierlichen Goldsandalen
flogen förmlich, ebenso wie Bonnies silberne Pantoffeln –,
und Stefano begann ebenfal s zu rennen, weil er irgendeine
unbekannte Gefahr fürchtete. Sie al e erreichten
gleichzeitig das andere Ende des Flurs, und Stefano sah,
dass die Frau, die dort stand, noch prächtiger gekleidet
war als die Mädchen. Sie trug ein Gewand aus dunkelroter
Rohseide mit einer schweren Kette aus Diamanten und
Rubinen und einem ähnlichen Ring – aber keine Armreife.
Im nächsten Moment versanken beide Mädchen in tiefe,
anmutige Knickse. Stefano machte seine schönste
Verbeugung.
Lady Ulma streckte beide Hände nach Elena aus, die
beinahe verzweifelt wirkte wegen etwas, das Stefano nicht
verstand. Elena ergriff die H?nde ihrer Gastgeberin und
atmete mit schnel en, fachen Z?gen ein und aus. ?Lady
Ulma ? Sie sind so d?nn ??
Genau in diesem Moment konnte man das Plappern eines
Babys hören. Elenas Gesicht leuchtete auf, sie lächelte
Lady Ulma an und stieß hörbar ihren Atem aus. Eine junge
Dienerin – sie sah noch jünger aus als Bonnie – legte Lady
Ulma sachte ein winziges Bündel aus Spitze und zartestem
Batist in die Arme. Sowohl Elena als auch Bonnie
blinzelten gegen Tränen an, während sie gleichzeitig das
Kind anstrahlten und kleine, unsinnige Laute von sich
gaben. Stefano konnte es verstehen – sie kannten die
Lady, seit sie eine von der Peitsche misshandelte Sklavin
gewesen war, die versucht hatte, eine Fehlgeburt zu
vermeiden.
»Aber wie …?«, stammelte Elena. »Wir haben Sie doch
erst vor wenigen Tagen gesehen, aber dieses Baby ist
Monate alt …«
»Wenige Tage? So kurz ist es Euch
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