Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
hätte, hätten wir nicht al e
an Damon gedacht. Warum hat der Baum sie nicht noch
einmal angegriffen?
Stefano versuchte, stark zu sein, versuchte, in dieser
Katastrophe, die so atemberaubend war, dass Elena
einfach nur dasaß, irgendetwas zu organisieren. Bonnie
schluchzte wieder und gab herzzerreißende Laute von sich.
Zwischen den Stangen der beiden Kreise wuchs ein
hölzernes Strebwerk heran – zu dicht, als dass selbst
Bonnie sich noch hätte hindurchzwängen können. Elenas
Clique war auf effiziente Weise von al em außerhalb des
Hexenrings getrennt und genauso effizient war sie von der
Sternenkugel getrennt.
»Die Axt!«, rief Stefano ihr zu. »Wirf mir …«
Aber dafür war keine Zeit. Eine kleine Wurzel hatte sich
darum gewunden und zog die Axt schnel in die oberen
Äste hinauf.
»Stefano, es tut mir leid! Ich war zu langsam!«
»Der Baum war zu schnel !«, korrigierte Stefano sie.
Elena hielt den Atem an und wartete auf das letzte Krachen
von oben – das, das sie al e töten würde. Als es nicht kam,
wurde ihr etwas klar. Der Baum war nicht nur intel igent,
sondern auch sadistisch. Sie sol ten hier in der Fal e sitzen,
abseits von ihren Vorräten, damit sie langsam verdursteten
und verhungerten oder wahnsinnig wurden, während sie
zusahen, wie einer nach dem anderen starb.
Das Beste, worauf sie hoffen konnten, war, dass Stefano
sowohl Bonnie als auch sie töten würde – aber selbst er
würde niemals herauskommen. Die hölzernen Äste würden
wieder und wieder herunterkrachen, sooft der Baum es für
nötig hielt, bis Stefanos zerquetschte Knochen sich zu den
anderen gesel ten, die zu feinem Sand zermahlen worden
waren.
Das war es, was den Ausschlag gab – der Gedanke an sie
al e, zusammen mit Damon hier gefangen, dessen Tod
verspottet wurde. Dieses Etwas, das seit Wochen in Elena
angeschwol en war, wenn sie die grauenvol en Geschichten
über Kinder hörte, die ihre Eltern bedrohten, über
Geschöpfe, die sich an Schmerz ergötzten, war jetzt durch
Damons Opfer so gewaltig geworden, dass sie es nicht
länger in sich festhalten konnte.
»Stefano, Bonnie – berührt die Äste nicht«, keuchte sie.
»Sorgt dafür, dass ihr keinen Teil der Äste berührt.«
»Das tue ich nicht, Liebste, und Bonnie tut es auch nicht.
Aber warum?«
»Ich kann es nicht länger halten! Ich muss …«
»Elena, nein! Dieser Zauber …«
Elena konnte nicht mehr denken. Das hassenswerte
Halblicht trieb sie in den Wahnsinn und erinnerte sie an den
grünen Nadelstich in Damons Pupil en, an das
schreckliche, grüne Licht des Baums.
Sie verstand den Sadismus des Baums ihren Freunden
gegenüber vol kommen … und aus dem Augenwinkel
konnte sie etwas Schwarzes sehen … wie eine Stoffpuppe.
Nur dass es keine Puppe war; es war Damon. Damon,
dessen wilder, scharfer Geist gebrochen war. Damon …
der inzwischen aus dieser und al en anderen Welten
fortgegangen sein musste.
Sein Gesicht war von ihrem Blut verschmiert. Er hatte
nichts Friedliches oder Würdevol es. Da war nichts, was
der Baum ihm nicht genommen hätte.
Elena verlor den Verstand.
Mit einem Schrei, der ihr aus dem Mark kam und die Kehle
heiser machte, packte Elena einen Ast jenes Baums, der
Damon getötet hatte, der ihren Geliebten ermordet hatte
und der sie und diese beiden anderen, die sie ebenfal s
liebte, auch noch ermorden würde.
Sie hatte keine Gedanken mehr. Sie war des Denkens
nicht mehr fähig. Aber instinktiv hielt sie einen Ast des
Käfigs fest, den der Baum gebildet hatte, und ließ den Zorn
aus sich herausexplodieren, den Zorn ermordeter Liebe.
Flügel der Zerstörung.
Sie spürte, wie die Flügel sich hinter ihr wölbten,
ebenholzschwarze Spitze und schwarze Perlen, und für
einen Moment fühlte sie sich wie eine tödliche Göttin, die
wusste, dass dieser Planet nie wieder Leben beherbergen
würde.
Als der Schlag ihres unbändigen Zorns sich Raum
verschaffte, verwandelte er das Zwielicht um sie herum in
ein mattes Schwarz. Was für eine passende Farbe. Damon
wird das gefal en, dachte sie verwirrt, und dann erinnerte
sie sich wieder, und abermals schoss sie aus ihr heraus,
die Macht, den Baum bis in den letzten Winkel dieser
kleinen Welt zu zerstören. Das erschütterte sie bis ins
Mark, aber sie ließ die Macht weiter aus sich
herausexplodieren. Kein körperlicher Schmerz konnte mit
dem verglichen werden, was in ihrem Herzen war, mit dem
Schmerz, das zu verlieren, was sie
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