Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
jetzt fertig mit dieser Welt.
Elena legte wieder ihre auf seine kalte, blutverschmierte
Wange. Ich habe dich im Arm gehalten, Liebling, genau
wie jetzt – nun, fast genauso. Die ganze Nacht lang. Das
war alles, was du wolltest: dich nicht allein fühlen zu
müssen.
Es folgte eine lange Pause, und Elena geriet mit dem Teil
von ihr, der noch nicht taub oder bereits hysterisch war,
langsam in Panik. Aber dann hörte sie ihn wieder,
stockend.
Ich danke dir … Elena. Danke … dafür, dass du mir dein
kostbares Geheimnis erzählt hast.
Ja, und ich werde dir etwas noch Kostbareres erzählen.
Niemand ist allein. Nicht wirklich. Niemand ist jemals
allein.
Du bist bei mir … so warm … nichts mehr, worum ich mir
Sorgen machen muss …
Nichts mehr, versprach Elena ihm. Und ich werde immer
bei dir sein. Niemand ist allein; ich verspreche es.
Elena … die Dinge fangen jetzt an, sich merkwürdig
anzufühlen. Kein Schmerz. Aber ich muss dir sagen …
und ich weiß, dass du es bereits weißt … wie ich mich in
dich verliebt habe … du wirst dich daran erinnern, nicht
wahr? Du wirst mich nicht vergessen?
Dich vergessen? Wie könnte ich dich jemals vergessen?
Aber Damon sprach weiter, und plötzlich wusste Elena,
dass er sie nicht mehr h?ren konnte, nicht einmal mehr auf
telepathischem Wege.
Wirst du dich erinnern? Für mich? Nur das … ich habe
einmal geliebt – nur ein einziges Mal in meinem ganzen
Leben. Kannst du dich daran erinnern, dass ich dich
geliebt habe? Das bedeutet, dass mein Leben … etwas
… wert war … Seine Stimme verklang.
Elena wurde es immer schwindeliger. Sie wusste, dass sie
schnel Blut verlor. Zu schnel . Ihr Verstand war nicht mehr
scharf. Und sie wurde plötzlich von einem frischen Sturm
des Schluchzens geschüttelt. Zumindest würde sie nie
wieder schreien – es gab niemanden, den sie anschreien
konnte. Damon war fortgegangen. Er war ohne sie
weggelaufen.
Sie wol te ihm folgen. Nichts war real. Verstand er denn
nicht? Sie konnte sich kein Universum ohne Damon darin
vorstel en, ganz gleich wie viele Dimensionen es gab.
Wenn es keinen Damon gab, gab es keine Welt für sie.
Er konnte ihr das nicht antun.
Ohne zu wissen oder sich darum zu scheren, was sie tat,
stieß sie tief in Damons Geist hinein, wobei sie ihre
Telepathie wie ein Schwert benutzte und auf die hölzernen
Verstrebungen eindrosch, die sie überal fand. Und endlich
drang sie in den tiefsten Teil seines Wesens vor … wo ein
kleiner Junge, eine Metapher für Damons
Unterbewusstsein, einst mit Ketten beladen gewesen war
und die Aufgabe zugewiesen bekommen hatte, den großen
Stein zu bewachen, in dem Damon seine Gefühle
verschlossen hielt.
Oh Gott, er muss solche Angst haben, dachte sie. Was
auch immer es kostete, sie durfte ihm nicht gestatten, vol er
Angst fortzugehen ?
Jetzt sah sie ihn. Den Kind-Damon. Wie immer konnte sie
in dem süßen, rundlichen Gesicht den jungen Mann mit den
scharfen Wangenknochen erkennen, zu dem Damon
geworden war; sie konnte ihn in den großen, dunklen
Augen erkennen, die bereits seinen späteren tiefen
schwarzen Blick erahnen ließen.
Aber obwohl er nicht lächelte, war der kleine Junge offen
und herzlich, auf eine Weise, wie Damons älteres Ich es nie
gewesen war. Und die Ketten … die Ketten waren fort.
Auch der große Stein war fort.
»Ich wusste, dass du kommen würdest«, wisperte der
Junge, und Elena nahm ihn in die Arme.
Ganz ruhig, sagte Elena sich. Ganz ruhig. Er ist nicht real.
Er ist das, was von Damons Geist übrig geblieben ist. Aber
trotzdem, er ist noch jünger als Margaret, und er ist
genauso weich und warm. Was auch geschieht, bitte, Gott,
lass ihn nicht wissen, was wirklich mit ihm geschieht.
Aber in den großen, dunklen Kinderaugen, die sich zu ihr
emporwandten, lag Wissen. »Ich bin so froh, dich zu
sehen«, vertraute er ihr an. »Ich dachte, dass ich viel eicht
nie wieder mit dir reden würde. Und – er – du weißt schon,
er hat einige Nachrichten hinterlassen. Ich denke nicht,
dass er mehr sagen konnte, also hat er sie mir geschickt.«
Elena verstand. Wenn es irgendeinen Teil seines Körpers
gab, den das Holz nicht erreicht hatte, dann war es dieser
letzte Winkel in ihm – seine Seele. Damon konnte noch
immer zu ihr sprechen – durch dieses kleine Kind.
Aber bevor sie selbst sprechen konnte, sah sie, dass in
den Augen des Kindes Tränen standen, und dann durchlief
ein Krampf seinen Körper,
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