Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
einen Schritt weit in ihr Schlafgemach hinein und hielt
dann erstaunt inne.
Der kathedralenähnliche schwarze Raum war vol er
Blumen. Da gab es ganze Reihen von Lilien, Vasen vol er
Rosen, Tulpen in al en Farben und Schattierungen und eine
Flut von Nelken und Narzissen, während in mit kleinen
Lauben versehenen Kübeln duftendes Geißblatt und
Fresien wuchsen.
Die Blumenhändler hatten den düsteren schwarzen Raum
in diese fantastische Extravaganz verwandelt. Und die
klügeren und weitsichtigeren Gefolgsleute der Prinzessin
hatten ihnen dabei geholfen, indem sie große kunstvol e
Vasen herbeischafften.
Als Damon Jessalyn hereinkommen sah, ließ er sich auf
der Stel e vor ihren Füßen auf die Knie nieder.
»Ihr wart fort, als ich erwacht bin!«, sagte die Prinzessin
ungehalten, und Damon lächelte, ganz schwach.
»Verzeiht mir, Euer Hoheit. Aber da ich ohnehin sterbe,
dachte ich, ich sol te aufstehen und Euch diese Blumen
sichern. Sind die Farben und D?fte zu Eurer Zufriedenheit?
?
»Die Düfte?« Jessalyns ganzer Körper schien
dahinzuschmelzen. »Sie sind … wie … ein Orchester für
meine Nase! Und die Farben sind mit nichts vergleichbar,
was ich je gesehen habe!« Sie brach in Gelächter aus, ihre
grünen Augen hel ten sich auf, und ihr glattes rotes Haar
bildete einen Wasserfal um ihre Schultern. Dann drängte
sie Damon zurück in die Düsternis einer Ecke. Damon
musste sich zusammenreißen, um nicht zu lachen; sie
ähnelte so sehr einem Kätzchen, das sich an ein
Herbstblatt heranpirschte.
Aber sobald sie in der Ecke ankamen, eingehül t in
schwarze Vorhänge und weit entfernt von jedem Fenster,
nahm Jessalyn einen todernsten Gesichtsausdruck an.
»Ich werde mir ein Kleid machen lassen, genau in der
Farbe dieser dunkelpurpurnen Nelken«, flüsterte sie.
»Nicht schwarz.«
»Euer Hoheit werden wunderbar darin aussehen«, flüsterte
Damon ihr ins Ohr. »So atemberaubend, so kühn …«
»Ich werde viel eicht sogar meine Mieder unter meinem
Kleid tragen.« Sie blickte durch schwere Wimpern zu ihm
auf. »Oder – wäre das zu viel?«
»Nichts ist zu viel für Euch, meine Prinzessin«, flüsterte
Damon zurück. Er hielt einen Moment lang inne, um
ernsthaft nachzudenken. »Eure Mieder – werden sie
farblich zu dem Kleid passen oder schwarz sein?«
Jessalyn überlegte. »Dieselbe Farbe?«, schlug sie vor.
Damon nickte erfreut. Er selbst würde sich nicht einmal tot
in irgendeiner anderen Farbe als schwarz blicken lassen,
aber er war bereit, sich mit Jessalyns merkw?rdigen Ideen
abzufinden ? und sie sogar zu ermutigen. Viel eicht w?rden
sie seine Verwandlung in einen Vampir beschleunigen.
»Ich wil Euer Blut«, wisperte die Prinzessin, wie um zu
beweisen, dass er recht hatte.
»Hier? Jetzt?«, flüsterte Damon zurück. »Vor al Euren
Dienern?«
Dann überraschte Jessalyn ihn. Sie, die zuvor so furchtsam
gewesen war, trat aus den Vorhängen heraus und klatschte
in die Hände, um Stil e zu befehlen. Sofort verstummten al e
Anwesenden.
»Hinaus mit euch al en!«, sagte sie gebieterisch. »Ihr habt
mir einen schönen Garten in meinem Zimmer bereitet und
dafür bin ich dankbar. Der Haushofmeister« – sie deutete
mit dem Kopf auf einen jungen Mann, der in Schwarz
gekleidet war, sich jedoch klugerweise eine dunkelrote
Rose ins Knopfloch gesteckt hatte – »wird dafür sorgen,
dass ihr al e zu essen – und zu trinken – bekommt, bevor
ihr geht!« Daraufhin folgte ein Raunen des Lobes, bei dem
die Prinzessin errötete.
»Ich werde die Glocke läuten, wenn ich dich brauche«,
fügte sie an den Haushofmeister gewandt hinzu.
Tatsächlich vergingen zwei vol e Tage, bis sie die Hand
hob und ein wenig widerstrebend an dem Glockenzug zog.
Und dann tat sie es lediglich, um den Befehl zu erteilen,
dass so schnel wie möglich eine Uniform für Damon
geschneidert werden sol e. Die Uniform des Hauptmanns
ihrer Wache.
Am zweiten Tag musste Bonnie sich doch an die
Sternenkugeln halten, weil sie ihre einzige Quel e der
Unterhaltung waren. Nachdem sie ihre achtundzwanzig
Kugeln durchgesehen hatte, stel te sie fest, dass
fünfundzwanzig von Anfang bis Ende Seifenopern waren.
Und von den restlichen Kugeln waren zwei vol von
erschreckenden und grauenhaften Erfahrungen, sodass sie
sie im Geiste mit Nie und Nimmer etikettierte. Die letzte
Sternenkugel trug den Namen Fünfhundert Geschichten
für Kleine, und Bonnie entdeckte schnel , dass diese
Geschichten
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