Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
begnügen:
mit Mäusen und kleinen weißen Wühlern und gelegentlich
einem Insekt (oh, igitt, dachte Bonnie). Aber sie überlebten,
und schließlich erreichten sie eine durch dichten Nebel
hoch aufragende schwarze Mauer. Dieser Mauer folgten
sie, bis sie zu einem Torhaus mit kleinen Türmchen kamen,
die in den Wolken versteckt waren. Über der Tür standen in
einer alten Sprache, die sie kaum lesen konnten, die
Worte: Die Sieben Tore.
Als sie eintraten, fanden sie sich in einem Raum mit acht
Toren oder Türen wieder – denn eine davon war jene Tür,
durch die sie soeben gekommen waren. Vor ihren Augen
leuchtete jede der anderen Türen auf, sodass sie sehen
konnten, wohin die sieben Tore führten: in sieben
verschiedene Welten, von denen eine das Kitsune-
Paradies war. Hinter einer anderen Tür lag ein Feld vol er
magischer Blumen, eine dritte Tür zeigte Schmetterlinge,
die um einen Springbrunnen herumflatterten. Eine weitere
öffnete den Zugang zu einer dunklen Höhle vol er Flaschen
des mystischen Weins Clarion Löss. Eine Tür führte zu
einer tiefen Mine mit faustgroßen Juwelen. Und dann war
da noch eine Tür, hinter der sich die Krone al er Blumen
zeigte: die Königliche Radhika. Sie konnte von einem
Augenblick zum anderen ihre Gestalt ver?ndern, wurde von
einer Rose zu einem Strau? Nelken zu einer Orchidee ?
Durch die letzte Tür konnten sie nur einen riesigen Baum
sehen, aber der ultimative Schatz, so ging das Gerücht,
war eine riesige Sternenkugel.
Jetzt vergaßen der Junge und das Mädchen das Kitsune-
Paradies vol kommen. Denn sie wol ten beide etwas
anderes, konnten sich aber nicht darauf einigen, was. Die
Regel besagte jedoch, dass jede Gruppe, die in das
Torhaus gelangte, nur gemeinsam durch eine einzige Tür
treten durfte, um wieder zurückzukehren. Aber während das
Mädchen einen Zweig von der Königlichen Radhika wol te,
um zu zeigen, dass sie ihre Mission erfül t hatten, wol te der
Junge etwas vom schwarzmagischen Wein, der ihnen für
den Rückweg Stärke verleihen sol te. Wie viel sie auch
stritten, sie kamen zu keiner Einigung. Also beschlossen
sie schließlich zu mogeln. Sie würden einfach gleichzeitig
je eine Tür öffnen, hindurchspringen, packen, was sie
haben wol ten, und dann zurückspringen und das Torhaus
verlassen, bevor sie erwischt werden konnten.
Gerade als sie ihren Plan in die Tat umsetzen wol ten,
warnte sie eine Stimme davor: »Ein einziges Tor al ein
mögt ihr beide betreten und dann zurückkehren, woher ihr
gekommen seid.«
Aber der Junge und das Mädchen entschieden sich dafür,
die Stimme zu ignorieren. Prompt trat der Junge durch die
Tür, die zu den Flaschen mit schwarzmagischem Wein
führte, und im selben Moment trat das Mädchen durch die
Tür zur Königlichen Radhika. Aber als die beiden sich
wieder umdrehten, fanden sie keine T?r mehr. Der Junge
hatte reichlich zu trinken, aber er blieb f?r immer in der
Dunkelheit und K?lte gefangen und seine Tr?nen gefroren
auf seinen Wangen. Das M?dchen hatte die sch?ne Blume
zum Anschauen, aber nichts zu essen oder zu trinken, und
so schwand sie unter der leuchtenden gelben Sonne dahin.
Bonnie schauderte – und es war wie das wonnevol e
Schaudern einer Filmzuschauerin oder Leserin, die
bekommen hatte, was sie erwartete. Das Märchen mit
seiner Moral – »Sei nicht zu gierig« – war wie die
Geschichten, die sie als Kind auf dem Schoß ihrer
Großmutter vorgelesen bekommen hatte.
Sie vermisste Elena und Meredith furchtbar. Jetzt hatte sie
eine Geschichte zu erzählen, aber niemanden, dem sie sie
erzählen konnte.
KAPITEL ZWÖLF
»Stefano. Stefano!« Elena war zu nervös gewesen, um
dem Schlafzimmer länger fernzubleiben als die fünf
Minuten, die sie gebraucht hatte, um sich den Cops zu
zeigen. Offenbar hatten diese fünf Minuten gereicht, ihre
beiden Freunde in einen Zustand zu versetzen, in dem sie
nicht mehr ansprechbar waren.
Stefano hielt Meredith mit seinen Armen umschlungen und
drückte den Mund fest auf die beiden kleinen Wunden, die
er ihr zugefügt hatte. Elena musste ihn an den Schultern
rütteln, musste sie beide rütteln, um irgendeine Reaktion
hervorzurufen.
Dann pral te Stefano plötzlich zurück, hielt Meredith jedoch
weiter fest, da sie ansonsten umgefal en wäre. Hastig
leckte er sich das Blut von den Lippen. Doch
ausnahmsweise konzentrierte Elena sich nicht auf ihn,
sondern auf ihre Freundin – ihre Freundin, der sie
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