Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
teilt so viel mit ihm – Erfahrung, Ausbildung,
Interesse –, und ich wusste, dass er sie sehr mag. Und sie ist schön und
wirklich klug. Ich war eifersüchtig, weil ich Angst hatte, dass sie ihn mir
wegnehmen würde. Aber wenn sie ihn mir hätte wegnehmen können,
hätte das nur bedeutet, dass er mir gar nicht gehörte. Man kann eine Per-
son nicht stehlen.« Sie lächelte Sabrina zögernd an, und nach einigen
Sekunden antwortete Sabrina mit einem schwachen Lächeln. »Ich weise
…«
»Vorsicht!«, rief Alaric. »Damon! Stefano! Halt!«
Meredith schaute auf. Damon und Stefano taumelten durch die Garage,
vorbei an der Reihe der Kerzen, vorbei an Alaric, der sie packte. Sie lösten
sich mühelos aus seinem Griff, ohne seine Berührung überhaupt wahrzun-
ehmen, und rempelten einander wild und verzweifelt an. Nur auf ihren
Kampf konzentriert, kamen sie dem Phantom immer näher und näher.
»Nein!«, schrie Elena.
Damon stieß Stefano rückwärts, und der Absatz von Stefanos Stiefel
kratzte über den Kreidestrich des kleinen Kreises, der das Phantom fes-
thielt – kratzte über die Kreidelinie und verwischte sie, und der Kreis war
nicht länger vollständig.
Mit einem triumphierenden Heulen kam das Phantom frei.
Kapitel Vierunddreissig
»Wir haben es nicht geschwächt, nicht genug!«, übertönte Meredith’
Stimme die Schreie der Eifersucht. Im Gegenteil – das Phantom schien
sogar noch stärker geworden zu sein, als es die Garage mit einem einzigen
gewaltigen Sprung durchquerte und Meredith mit dem Handrücken ins
Gesicht schlug. Meredith spürte einen unsäglichen Schmerz, sah ein kur-
zes Aufblitzen von Licht und wurde gegen die Wand geschleudert. Benom-
men rappelte sie sich wieder auf.
Das Phantom kam erneut auf sie zu. Langsamer diesmal, mit einem er-
wartungsvollen Lächeln.
Der Zauber muss irgendetwas bewirkt haben, dachte Meredith benom-
men, sonst wäre es dem Phantom egal, ob ich das Ritual zu Ende bringe
oder nicht.
Meredith umfasste ihren Stab. Sie würde nicht einfach kampflos
aufgeben. Alaric hatte sie als eine Superheldin bezeichnet. Superhelden
kämpfen weiter, selbst wenn ihre Chancen noch so miserabel stehen.
Entschlossen schlug sie mit dem Kampfstab zu. Jetzt zahlten sich all die
Trainingsstunden aus, denn das Phantom schien den Schlag nicht erwartet
zu haben: Statt durch Nebel zu gleiten und keinen weiteren Schaden an-
zurichten, traf der Stab das Phantom in seiner körperlichen Gestalt, direkt
über der Rose. Die Spitze des Kampfstabs verursachte einen tiefen Schnitt
in der Brust des Phantoms, und als Meredith mit ihrer Waffe zu einem
zweiten Schlag ausholte, tropfte von deren Ende eine zähe, grüne
Flüssigkeit.
Beim zweiten Mal jedoch verließ Meredith ihr Glück. Das Eifersuchts-
phantom griff nach ihr, und seine Hand bewegte sich so schnell, dass
Meredith sie erst sah, als sie bereits das andere Ende des Stabs umfasst
hielt. So scharf die Waffe auch war, so giftig all diese silbernen, hölzernen,
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eisernen Dornen auch waren, das Phantom hielt den Stab leicht und müh-
elos, und es zog daran .
Meredith schlitterte durch die Garage auf das Phantom zu, schnell und
hilflos. Und das Phantom streckte träge die andere Hand aus, um sie einz-
ufangen, ein Grinsen der Verachtung und des Zorns auf seinem eisigen
Gesicht. Oh nein, jammerte Meredith’ innere Stimme, nicht so. So darf es
nicht enden.
Doch kurz bevor das Phantom Meredith berührte, veränderte sich sein
Gesicht und zeigte plötzlich einen Ausdruck der Verwirrung. Es ließ den
Stab los. Meredith sprang zurück, gewann ihr Gleichgewicht wieder und
rang nach Atem.
Das Eifersuchtsphantom starrte an ihr vorbei; Meredith war vergessen,
zumindest für den Augenblick. Jetzt bleckte es die glasigen Zähne voller
Zorn. Während Meredith es beobachtete, schienen sich die eisigen
Muskeln in seinen Armen anzuspannen und dann in Nebelschwaden
aufzulösen. Im nächsten Moment wurden sie wieder fest und schienen
zum Bersten angespannt zu sein. Es kann sich nicht bewegen, durchzuckte
es Meredith. Sie drehte sich um – und erblickte Mrs Flowers.
Mrs Flowers stand hoch aufgerichtet da, den Blick ihrer brennenden Au-
gen auf das Phantom gerichtet. Sie hatte die Hände vor sich ausgestreckt,
und ihr Gesicht wirkte stark und entschlossen. Mehrere Strähnen ihres
grauen Haares hatten sich aus ihrem Knoten gelöst und standen in allen
Richtungen von ihrem Kopf ab, als sei sie von
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