Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
konnte, aber sein
Mund war angespannt und grimmig, und er antwortete nicht.
Ohne Damons Hand loszulassen, drehte Elena sich zu Stefano um. Er
war dicht hinter ihr und hielt den Blick starr auf Damon gerichtet. Er
keuchte hektisch; geistesabwesend wischte er sich mit dem Handrücken
über den Mund und schmierte dabei Blut über sein Gesicht. Elena ergriff
seine blutverklebte Hand.
Sie spürte, wie Damon sich verkrampfte, und sie sah, dass er die Hand
anstarrte, mit der sie Stefanos hielt. Stefano folgte ebenfalls Damons Blick,
und er zog die Winkel seiner geschwollenen Lippen zu einem bitteren
kleinen Lächeln nach oben.
Hinter ihnen knurrte das Phantom, während es gegen Mrs Flowers’
Macht kämpfte. Es klang lauter, wilder.
»Hört zu«, sagte sie drängend und blickte von einem Bruder zum ander-
en. »Das Phantom konzentriert sich gerade nicht auf euch, also könnt ihr
selbstständig denken. Aber Mrs Flowers wird es nicht lange aufhalten
können. Also müsst ihr es tun; ihr müsst jetzt anfangen nachzudenken,
statt nur zu handeln. Ich muss euch sagen … ähm …« Sie räusperte sich
unbehaglich. »Ich habe euch das nie erzählt, aber als Nicolaus mich gefan-
gen hielt, nach Catarinas Tod, hat er mir immer wieder … Bilder gezeigt.
Erinnerungen, schätze ich, Catarinas Erinnerungen. Wie ihr beide mit ihr
zusammen wart, damals, als Menschen. Als ihr jung und lebendig wart
und sie geliebt habt. Er hat mir gezeigt, wie sehr ihr sie geliebt habt. Ich
habe es gehasst, das zu sehen. Ich wusste, dass ihr mich zu Anfang nur de-
shalb bemerkt hattet, weil ihr sie geliebt habt. Es hat mich immer ein
wenig gestört, obwohl ich weiß, dass eure Liebe zu mir jetzt tiefer ist.«
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Beide Brüder betrachteten nun Elena, und Stefanos Lippen teilten sich,
als wolle er etwas sagen. Aber Elena schüttelte energisch den Kopf und
fuhr fort: »Nein, lasst mich ausreden. Es hat mich ein klein wenig gestört.
Es hat mich nicht vernichtet, und es hat nichts an meinen Gefühlen
geändert … für keinen von euch. Denn ebenso wie ich weiß, dass ihr mich
wegen Catarina bemerkt habt, weiß ich auch, dass ihr beide – sobald ihr
über sie hinweg wart – mich gesehen habt, Elena. Ihr seht Catarina nicht
länger in mir.«
Sie wagte sich jetzt auf gefährliches Terrain, das war ihr klar, und de-
shalb versuchte sie, logisch und einfühlsam zu argumentieren. »Also, ich
weiß das, richtig? Aber als das Phantom zu mir sprach, hat es diese alte
Eifersucht wieder aufgewühlt und sie von Neuem in mir brennen lassen.
Und die anderen Dinge, die das Phantom zu mir gesagt hat, stimmen zum
Teil ebenfalls. Ja, ich bin manchmal eifersüchtig auf Mädchen mit« – sie
musste lächeln – »einem normalen Liebesleben. Aber wenn ich ganz ehr-
lich zu mir bin, weiß ich, dass ich nicht mit ihnen tauschen wollte. Was ich
habe, ist unglaublich, selbst wenn es manchmal schwer ist.« Elena
schluckte. »Und daher weiß ich, dass auch das, was das Phantom zu euch
gesagt hat, zum Teil die Wahrheit ist. Ihr seid eifersüchtig aufeinander. Ihr
seid wegen Ereignissen der Vergangenheit wütend aufeinander, und es
macht euch zu schaffen, dass ich euch beide liebe. Aber ich weiß auch, dass
das nicht alles ist. Und es ist auch nicht das Wichtigste. Nicht mehr. Die
Dinge haben sich geändert seit jenen Tagen, da Eifersucht und Wut die
einzigen Gefühle zwischen euch waren. Ihr habt zusammengearbeitet, und
ihr habt einander beschützt. Ihr seid wieder Brüder geworden.«
Sie sah in Damons Augen und suchte nach einer Reaktion. »Damon,
Stefano war am Boden zerstört, als er dich für tot hielt. Du bist sein
Bruder, und er liebt dich, und als du fort warst, wusste er nicht, was er tun
sollte. Du spielst eine große Rolle in seinem Leben – in der Vergangenheit
wie in der Gegenwart. Du bist derjenige, der seine ganze Lebensgeschichte
mit ihm teilt.«
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Sie drehte sich zu Stefano um. »Stefano, Damon hat die Tatsache, dass
er noch lebte, nicht deshalb vor dir verschwiegen, weil er dich leiden
lassen wollte oder mich für sich allein haben wollte oder was immer das
Phantom dir eingeredet hat. Er wollte auf eine Weise und zu einer Zeit
zurückkommen, die es ihm ermöglichte, dir zu zeigen, dass sich die Dinge
geändert haben. Dass er in der Lage war, sich zu ändern. Und du warst die
Person, für die er sich ändern wollte. Nicht ich. Du. Du bist sein Bruder,
und er liebt dich, und er wollte, dass
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