Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
du ihn überhaupt je erwähnt hättest, oder?«
»Haltet den Mund, ihr zwei«, gab Bonnie freundlich zurück, dann
beugte sie sich über den Tisch zu Samantha vor und war glücklich, ein
noch unwissendes Publikum mit Zanders Vorzügen unterhalten zu
können. Elena ließ ihre Gedanken schweifen, denn sie hatte das alles
schon unzählige Male gehört, Nacht um Nacht in ihrem Wohnheim:
Zanders Augen, Zanders Lächeln, Zanders schüchterner Charme, Zanders
– O-Ton Bonnie – heißer Körper; Zander und Bonnie, wie sie in einem
stillen Eckchen der Bibliothek zusammen lernten; Zander, der Bonnie
heimlich Snacks mitbrachte, obwohl das total gegen die Bibliotheksregeln
verstieß; Zander und Bonnie, wie sie jeden Abend miteinander telefonier-
ten, mit langen, zärtlichen Pausen, in denen es schien, als sei Zander
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drauf und dran, seiner Bonnie ganz intime Worte zuzuflüstern – aber
dann machte er stattdessen einen Scherz, über den sie wie verrückt lachen
musste. Bonnie war so süß in ihrer Schwärmerei. Elena hoffte inständig,
dass es dieser Junge ernst mit ihr meinte.
»Er hat mich noch nicht geküsst«, erzählte Bonnie gerade Samantha
mit großen Augen. »Aber bald. Hoffe ich.«
»Der allererste Kuss«, sagte Samantha und hob ihre Augenbrauen. »Vi-
elleicht heute Abend?« Zur Antwort kicherte Bonnie nur.
Da war er wieder, dieser Schmerz in Elenas Brust, und sie presste sich
die Hand aufs Herz. Während ihres ersten Kusses mit Stefano hatte die
Welt aufgehört zu existieren, es hatte nur sie beide gegeben, die Ber-
ührung ihrer Lippen und ihrer Seelen.
Sie holte tief Luft und drängte die Tränen zurück. Heute Abend wollte
sie sich an nichts erinnern; sie wollte einfach mit ihren Freundinnen Spaß
haben.
Dabei war Samantha eine große Hilfe, begriff Elena. Denn wäre sie mit
Meredith und Bonnie allein gewesen, hätten sie am Ende doch wieder
über Christophers Ermordung und die verschwundenen Studenten ge-
sprochen, sie wären die wenigen Fakten durchgegangen, die sie kannten,
und hätten zu allem Unbekannten eine Theorie entwickelt. Aber in Sam-
anthas Gegenwart mussten sie sich um ein unbeschwertes Gespräch
bemühen.
Inzwischen war Bonnie von dem umwerfenden Zander auf das Thema
Handlesen gekommen. »Schau«, sagte sie zu Samantha. »Siehst du diese
Linie, die deine Handfläche durchzieht, quer über die anderen drei Lini-
en? Das ist eine Schicksalslinie; nicht jeder hat sie.«
»Und was bedeutet sie?«, fragte Samantha und musterte interessiert
ihre Hand.
»Nun«, erwiderte Bonnie und legte die Stirn in Falten, »sie wechselt
ziemlich oft die Richtung – siehst du hier? Und hier? Das bedeutet, dass
dein Schicksal sich verändern wird, weil Kräfte von außen dich
beeinflussen.«
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»Hm«, machte Samantha. »Was ist mit der Liebe? Werde ich heute
Abend einen umwerfenden Jungen kennenlernen?«
»Nein«, antwortete Bonnie langsam, und plötzlich veränderte sich ihre
Stimme und nahm einen flachen, beinah metallischen Ton an. Als Elena
aufschaute, sah sie, dass Bonnies Pupillen geweitet waren, und ihre Au-
gen starrten ins Leere. »Nicht heute Abend. Aber auf dich wartet jemand,
der alles verändern wird. Du wirst ihm bald begegnen.«
»Bonnie«, sagte Meredith scharf. »Bist du okay?«
Bonnie blinzelte, und ihr Blick wurde wieder klar. »Natürlich«, sagte
sie und klang verwirrt. »Wovon redest du?«
Elena und Meredith tauschten einen fragenden Blick, doch bevor sie
Bonnie darauf ansprechen konnten, ob sie in eine Vision abgeglitten war,
umringte plötzlich eine Gruppe von Jungen lachend und schwatzend
ihren Tisch. Elena musterte sie stirnrunzelnd.
»Hey, Süße«, sprach einer sie an. »Willst du tanzen?«
Elena schüttelte den Kopf, als sich ein anderer auf den Stuhl neben
Bonnie fallen ließ und den Arm um sie legte. »Hi«, begrüßte er sie. »Hast
du mich vermisst?«
»Zander!«, rief Bonnie mit vor Freude geröteten Wangen.
Das ist also Zander, dachte Elena und beobachtete ihn verstohlen,
während sich seine Freunde ebenfalls am Tisch niederließen und sich gut
gelaunt vorstellten. Sie machten eine Riesen-Show daraus, die Stühle her-
anzurücken und sich darum zu streiten, wer neben welchem Mädchen
sitzen durfte. Zander war süß, das musste Elena zugeben, mit seinem hell-
blonden Haar und dem umwerfenden Lächeln.
Aber ihr gefiel die Art nicht, wie er Bonnie an sich zog und ihren Kopf
an sich drückte, während er
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