Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
sie war verzweifelt, wollte ihn sprechen, wollte wissen, was mit ihm los war, wollte es wieder in Ordnung bringen–, aber er nahm ihre Anrufe nicht entgegen. Vielleicht war das, was Damon gerade jetzt am meisten brauchte, Abstand von ihr. Aber sie hoffte, dass zumindest Stefano zu ihm durchkommen würde.
Kapitel Fünf
Kaum hatte Stefano an die Tür von Damons Wohnung geklopft, ging sie auch schon auf. Damon funkelte Stefano an, bevor er versuchte, ihm die Tür wieder vor der Nase zuzuschlagen.
»S topp!« Stefano schob eine Schulter in den Türspalt. »D u hast mich schließlich schon gespürt, bevor du die Tür geöffnet hattest.«
»I ch wusste, dass du weiterklopfen und letztlich irgendeine Möglichkeit finden würdest, hereinzukommen, wenn ich nicht aufmache«, entgegnete Damon grimmig. »A lso habe ich aufgemacht. Und jetzt geh wieder. «
Damon sah furchtbar aus. Seine eleganten Gesichtszüge waren angespannt und verhärmt, die Haut über seinen Wangen weiß und straff. Seine Lippen waren bleich, seine dunklen Augen blutunterlaufen und sein für gewöhnlich glattes Haar völlig zerzaust. Stefano ignorierte seine Worte und beugte sich näher zu ihm heran, um seinen Bruder dazu zu bringen, ihm in die Augen zu sehen.
»D amon«, sagte er. »I ch habe gestern Nacht das Mädchen im Wald gefunden.«
Jeder, der Damon nicht so lange und so gut kannte wie Stefano– und damit jeder außer Stefano–, hätte die für einen Sekundenbruchteil einsetzende Erstarrung seiner Miene übersehen, bevor Damon nichts als kalte Geringschätzung zur Schau stellte. »B ist du etwa gekommen, um mir eine Predigt zu halten, kleiner Bruder?«, fragte er. »I ch fürchte, ich habe gerade keine Zeit, aber vielleicht ein andermal? Irgendwann nächste Woche?«
Er ließ seinen Blick abschätzig über Stefano schweifen, bevor er sich abwandte. Stefano fühlte sich Jahrhunderte zurückversetzt, wie als Kind, das von seinem tollkühnen, charmanten, verachtenswerten, aufreizenden älteren Bruder an seinen Platz verwiesen wurde.
»S ie lebte noch«, erklärte Stefano ruhig. »I ch habe sie nach Hause gebracht. Es geht ihr gut.«
Damon zuckte die Achseln. »W ie schön für dich. Stets ritterlich . «
Stefanos Hand schnellte vor und er packte Damons Arm. »V erdammt, Damon«, stieß er verärgert hervor, »h ör auf, mit mir zu spielen. Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass du vorsichtig sein musst. Wenn du dieses Mädchen getötet hättest, hätte dich die Tat eingeholt.«
Damon blinzelte ihn an. »D as ist es also?«, fragte er, und ein Hauch von Feindseligkeit lag in seiner Stimme. »D u willst, dass ich vorsichtig bin? Du verspürst also nicht den überwältigenden Drang, mich auszuschimpfen, kleiner Bruder? Mir vielleicht sogar zu drohen?«
Stefano seufzte und lehnte sich frustriert gegen den Türrahmen. »W ürde es denn etwas nützen, mit dir zu schimpfen, Damon?«, fragte er. »O der dir zu drohen? Das hat doch noch nie funktioniert. Ich will einfach nicht, dass du irgendjemanden tötest. Du bist mein Bruder und wir brauchen einander.«
Damons Gesicht verhärtete sich erneut und Stefano dachte noch einmal über seine Worte nach. » I ch brauche jedenfalls dich «, korrigierte er sich schließlich. »D u hast mir das Leben gerettet. Und das– für den Fall, dass du es nicht bemerkt haben solltest– sogar ziemlich häufig im vergangenen Jahr.«
Damon lehnte sich an die andere Seite des Türrahmens und musterte Stefano mit nachdenklicher Miene, schwieg jedoch. Stefano wünschte, er hätte gewusst, was Damon dachte, und sandte ihm einen Hauch von fragender Macht, um seine Stimmung aufzufangen, aber Damon grinste nur höhnisch und schloss sie mühelos aus.
Stefano senkte den Kopf und knetete mit Daumen und Zeigefinger seinen Nasenrücken. Würde es jetzt immer so zwischen ihnen sein, Jahr für Jahr, Jahrhundert für Jahrhundert? »H ör mal«, begann er. »D ie anderen Vampire auf dem Campus treiben schon genug Unwesen, ohne dass du wieder anfängst zu jagen. Ethan ist noch am Leben, und er wird morgen Nacht versuchen, Nicolaus zurückzuholen.«
Für einen Moment vertiefte sich die Falte zwischen Damons Brauen, dann glättete sie sich sofort wieder. Sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt.
»O hne dich können wir ihn nicht aufhalten«, fuhr Stefano mit trockenem Mund fort.
Damons nachtdunkle Augen verrieten keine Gefühlsregung. Dann ließ er sein kürzestes, strahlendstes Lächeln aufblitzen. »T ut mir leid«,
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