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Tagebuch (German Edition)

Tagebuch (German Edition)

Titel: Tagebuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Frank
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neben unsere Kartoffeltonne. Die Decke triefte, und da der Dachboden auch nicht frei von Löchern ist, fielen einige gelbe Tropfen auch durch die Decke in das Zimmer, zwischen einen Stapel Strümpfe und ein Buch, die auf dem Tisch lagen. Ich bog mich vor Lachen. Der Anblick war auch zu komisch, die geduckte Mouschi unter einem Stuhl, Peter mit Wasser, Chlorpulver und Lappen, und Herr van Daan am Beschwichtigen. Das Unglück war schon bald behoben. Aber es ist eine bekannte Tatsache, dass Katzenurin schrecklich stinkt. Das bewiesen die Kartoffeln gestern nur allzu deutlich, auch die Holzspäne, die Vater in einem Eimer herunterbrachte, um sie zu verbrennen.
    Arme Mouschi! Woher sollst du wissen, dass kein Torfmull zu bekommen ist?
    Anne

Donnerstag, 11. Mai 1944
    Liebe Kitty!
    Etwas Neues zum Lachen!
    Peters Haare mussten geschnitten werden. Die Haarschneiderin wollte, wie üblich, seine Mutter sein. Fünf Minuten vor halb acht verschwand Peter in seinem Zimmer und kam um halb acht wieder heraus, pudelnackt bis auf eine blaue Badehose und Turnschuhe.
    »Kommst du mit?«, fragte er seine Mutter.
    »Ja, aber ich suche die Schere.«
    Peter half suchen und wühlte dabei in Frau van Daans Toilettenschublade. »Mach doch nicht so ein Durcheinander«, murrte sie.
    Peters Antwort konnte ich nicht verstehen, sie muss auf jeden Fall frech gewesen sein, denn Frau van Daan gab ihm einen Klaps auf den Arm. Er gab ihr einen zurück. Sie schlug mit aller Kraft, und Peter zog mit einem komischen Gesicht seinen Arm zurück. »Komm mit, Alte!«
    Frau van Daan blieb stehen. Peter packte sie an den Handgelenken und zog sie durch das ganze Zimmer. Frau van Daan weinte, lachte, schimpfte und strampelte, aber es half nichts. Peter führte seine Gefangene bis zur Dachbodentreppe, wo er sie loslassen musste. Frau van Daan kehrte ins Zimmer zurück und ließ sich laut seufzend auf einen Stuhl fallen.
    »Die Entführung der Mutter«, witzelte ich.
    »Ja, aber er hat mir wehgetan.«
    Ich schaute nach und kühlte ihre heißen, roten Handgelenke mit etwas Wasser. Peter, noch an der Treppe, wurde wiederum ungeduldig. Mit seinem Gürtel in der Hand kam er wie ein Tierbändiger ins Zimmer. Aber Frau van Daan ging nicht mit. Sie blieb am Schreibtisch sitzen und suchte nach einem Taschentuch. »Du musst mich erst um Entschuldigung bitten«, sagte sie.
    »Na gut, dann bitte ich dich hiermit um Entschuldigung, weil es sonst so spät wird.«
    Frau van Daan musste gegen ihren Willen lachen, stand auf und ging zur Tür. Hier fühlte sie sich genötigt, uns erst noch eine Erklärung zu geben. (Uns, das waren Vater, Mutter und ich, wir waren gerade beim Abwaschen.)
    »Zu Hause war er nicht so«, sagte sie. »Ich hätte ihm eine verpasst, dass er die Treppe runterfliegt (!). Er ist nie so frech gewesen, er hat auch mehr Schläge bekommen. Das ist nun die moderne Erziehung! Ich hätte meine Mutter nie so angepackt. Sind Sie so mit Ihrer Mutter umgegangen, Herr Frank?« Sie war aufgeregt, lief hin und her, fragte und sagte alles Mögliche und machte immer noch keine Anstalten, hinaufzugehen. Endlich trollte sie sich.
    Es dauerte keine fünf Minuten, da stürmte sie mit geblähten Backen wieder herunter, warf ihre Schürze hin, antwortete auf meine Frage, ob sie fertig sei, dass sie kurz hinuntergehe, und sauste wie ein Wirbelwind die Treppe hinunter. Vermutlich in die Arme von ihrem Putti. Sie kam erst um acht Uhr herauf, ihr Mann kam mit. Peter wurde vom Dachboden geholt, bekam eine gehörige Standpauke. Schimpfworte wie Flegel, Bengel, ungezogen, schlechtes Vorbild, Anne ist …, Margot macht … Mehr konnte ich nicht verstehen. Vermutlich ist heute schon wieder alles in Butter.
    Deine Anne M. Frank

    P.S. Dienstag und Mittwoch sprach unsere geliebte Königin. Sie macht Urlaub, um gestärkt in die Niederlande zurückkehren zu können. Sie sprach von »Bald, wenn ich zurück bin … baldige Befreiung … Heldenmut und schwere Lasten«.
    Eine Rede von Minister Gerbrandy folgte. Dieser Mann hat ein so nörgelndes Kinderstimmchen, dass Mutter unwillkürlich »och« sagte. Ein Pastor, der seine Stimme von Herrn Edel geklaut hat, beschloss den Abend mit einer Bitte an Gott, dass er für die Juden, die Menschen in Konzentrationslagern, in den Gefängnissen und in Deutschland sorgen möge.

Donnerstag, 11. Mai 1944
    Liebe Kitty!
    Da ich meine ganze »Kramschachtel«, also auch den Füller, oben vergessen habe und ich sie in ihrem Schlafstündchen (bis halb

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