Tagebuch (German Edition)
anderen Gäste übrig geblieben. Wenn wir auf jenem Fest gewesen wären, hätten wir sicher alles geplündert und sogar die Möbel nicht auf ihrem Platz gelassen. Ich kann dir sagen, wir haben Miep die Worte aus der Nase gezogen, wir standen um sie herum, als hätten wir noch nie in unserem Leben von gutem Essen und eleganten Menschen gehört. Und das sind die Enkelinnen eines bekannten Millionärs! Es geht schon verrückt zu in der Welt!
Deine Anne M. Frank
Dienstag, 9. Mai 1944
Liebe Kitty!
Die Geschichte »Ellen, die Fee« ist fertig. Ich habe sie auf schönem Briefpapier abgeschrieben, mit roter Tinte verziert und die Blätter aneinander genäht. Das Ganze sieht jetzt hübsch aus, aber ich weiß nicht, ob es nicht etwas wenig ist. Margot und Mutter haben jede ein Geburtstagsgedicht gemacht.
Herr Kugler kam heute mit der Nachricht herauf, dass Frau Broks (eine frühere Mitarbeiterin) ab Montag jeden Tag hier zwei Stunden Mittagspause machen möchte. Stell dir vor! Niemand kann mehr heraufkommen, Kartoffeln können nicht geliefert werden, Bep bekommt kein Essen, wir können nicht aufs Klo, wir dürfen uns nicht rühren und was es sonst noch für Unannehmlichkeiten gibt. Wir kamen mit den ausgefallensten Vorschlägen, um sie abzuwimmeln. Van Daan meinte, ein gutes Abführmittel in ihren Kaffee würde vielleicht reichen. »Nein«, antwortete Herr Kleiman, »bitte nicht, dann kommt sie überhaupt nicht mehr runter vom Thron!«
Schallendes Gelächter. »Vom Thron?«, fragte Frau van Daan. »Was bedeutet das?«
Eine Erklärung folgte. »Kann man das Wort immer benützen?«, fragte sie ziemlich albern.
Bep kicherte. »Stellt euch vor, sie fragt im Bijenkorf nach dem Thron! Sie würden sie nicht mal begreifen.«
Dussel sitzt täglich prompt um halb eins »auf dem Thron«, um den Ausdruck mal beizubehalten. Heute Mittag nahm ich beherzt ein Stück rosa Papier und schrieb:
Toiletten-Dienstplan für Herrn Dussel
Morgens 7.15–7.30
Mittags nach 1 Uhr
Ansonsten nach Wunsch!
Diesen Zettel befestigte ich auf der grünen Klotür, als Dussel noch darauf saß. Ich hätte leicht dazuschreiben können: Bei Übertretung dieses Gesetzes wird Einsperrung verhängt. Denn unsere Toilette kann man von innen und von außen abschließen.
Das ist der neueste Witz von van Daan:
Anlässlich der Bibelstunde und der Geschichte mit Adam und Eva fragt ein 13-jähriger Junge seinen Vater: »Sag mal, Vater, wie bin ich eigentlich geboren worden?«
»Na ja«, antwortet der Vater, »der Storch hat dich aus dem großen Wasser geholt, zu Mutter ins Bett gelegt und sie fest ins Bein gepickt. Deshalb hat sie geblutet und musste über eine Woche im Bett bleiben.«
Um es noch genauer zu erfahren, fragt der Junge auch seine Mutter:
»Sag mal, Mutter, wie bist du eigentlich geboren worden und wie bin ich geboren worden?«
Seine Mutter erzählt ihm dieselbe Geschichte, woraufhin der Junge, um wirklich alles zu erfahren, auch noch zu seinem Großvater geht.
»Sag mal, Großvater, wie bist du geboren worden und wie ist deine Tochter geboren worden?« Zum dritten Mal hört er die gleiche Geschichte.
Abends schreibt er in sein Tagebuch: »Nach gründlichem Sammeln von Informationen muss ich feststellen, dass in unserer Familie während dreier Generationen kein Geschlechtsverkehr stattgefunden hat.«
Ich muss noch arbeiten, es ist schon drei Uhr.
Deine Anne M. Frank
P.S. Da ich dir schon von der neuen Putzfrau berichtet habe, will ich noch kurz hinzufügen, dass die Dame verheiratet ist, sechzig Jahre alt und schwerhörig! Sehr sympathisch im Hinblick auf eventuelle Geräusche, die von acht Versteckten durchdringen könnten.
O Kit, es ist so schönes Wetter. Könnte ich doch hinaus!
Mittwoch, 10. Mai 1944
Liebe Kitty!
Wir saßen gestern Nachmittag auf dem Dachboden und lernten Französisch, als ich plötzlich hinter mir ein Plätschern hörte. Ich fragte Peter, was das zu bedeuten hätte, aber er antwortete nicht mal, rannte zum Trockenboden, zum Ort des Unheils, und stieß Mouschi, die sich neben ihr zu nasses Katzenklo gesetzt hatte, mit einer groben Bewegung auf den richtigen Fleck. Ein lautes Spektakel folgte, und Mouschi, die fertig gepinkelt hatte, rannte hinunter. Sie hatte sich, um noch ein wenig katzenkloartige Bequemlichkeit zu empfinden, über einen Spalt auf dem porösen Oberbodengrund auf ein bisschen Holzwolle gesetzt. Die Pfütze lief sofort durch die Decke zum Dachboden und unglücklicherweise direkt in und
Weitere Kostenlose Bücher