Tagebuch (German Edition)
ruhig zu bleiben. Ich könnte ihr glatt ins Gesicht schlagen. Ich weiß nicht, wie es kommt, dass ich eine so schreckliche Abneigung gegen sie habe. Papa hat gesagt, ich müsste ihr mal von selbst anbieten, ihr zu helfen, wenn sie sich nicht wohl fühlt oder Kopfschmerzen hat. Aber das tue ich nicht, weil ich sie nicht liebe, und dann fühle ich das nicht. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass Mutter mal stirbt. Aber dass Papa mal stirbt, das könnte ich, glaube ich, nicht aushalten. Das ist sehr gemein von mir, aber so fühle ich es. Ich hoffe, dass Mutter dieses und alles andere niemals lesen wird.
In letzter Zeit darf ich etwas mehr Erwachsenenbücher lesen. Ich lese gerade »Evas Jugend« von Nico van Suchtelen. Den Unterschied zwischen Mädchenbüchern und diesem finde ich nicht so arg groß. Eva denkt, dass Kinder wie Äpfel an einem Baum wachsen und der Storch sie dort abpflückt, wenn sie reif sind, und sie den Müttern bringt. Aber die Katze ihrer Freundin hatte Junge bekommen, die kamen aus der Katze. Nun dachte Eva, dass die Katze, genau wie ein Huhn, Eier legt und sie ausbrütet. Auch Mütter, die ein Kind bekommen, würden ein paar Tage zuvor ins Schlafzimmer gehen und ein Ei legen, um es dann auszubrüten. Wenn das Kind dann da ist, sind die Mütter noch etwas schwach vom langen Hocken. Eva wollte nun auch ein Kind haben. Sie nahm einen Wollschal und legte ihn auf den Boden, da hinein sollte das Ei fallen. Dann kauerte sie sich hin, drückte und fing an zu gackern, aber es kam kein Ei. Endlich, nach sehr langem Sitzen, kam etwas heraus, aber kein Ei, sondern eine Wurst. Eva schämte sich sehr. Sie dachte, dass sie krank wäre. Witzig, nicht wahr? In »Evas Jugend« steht auch was darüber, dass Frauen ihre Körper auf der Straße verkaufen und dafür einen Haufen Geld verlangen. Ich würde mich totschämen vor so einem Mann. Außerdem steht drin, dass Eva ihre Periode bekommen hat. Danach sehne ich mich so sehr, dann bin ich wenigstens erwachsen. Papa mault schon wieder und droht, dass er mir mein Tagebuch wegnehmen wird. Oh, was für ein Schreck! Ich werde es in Zukunft verstecken!
Anne Frank
Mittwoch, 7. Oktober 1942
Ich stelle mir jetzt vor, dass …
ich in die Schweiz gehe. Papa und ich schlafen in einem Zimmer, während das Zimmer der Jungen [5] mein Zimmer wird, wo ich sitze und meine Gäste empfange. Dort haben sie mir als Überraschung neue Möbel gekauft, Teetisch, Schreibtisch, Sessel und Diwan, einfach großartig. Nach ein paar Tagen gibt Papa mir 150 Gulden, umgerechnet natürlich, aber ich bleibe einfach bei Gulden, und sagt, dass ich mir dafür alles kaufen kann, nur für mich selbst, was ich für nötig halte. (Später soll ich dann jede Woche einen Gulden bekommen, dafür kann ich mir auch kaufen, was ich will.) Ich gehe mit Bernd los und kaufe:
3
Sommerhemden à 0,50 = 1,50
3
Sommerhosen à 0,50 = 1,50
3
Winterhemden à 0,75 = 2,25
3
Winterhosen à 0,75 = 2,25
2
Unterkleider à 0,50 = 1,00
2
Büstenhalter (kleinste Größe) à 0,50 = 1,00
5
Pyjamas. à 1,00 = 5,00
1
Sommermorgenrock à 2,50 = 2,50
1
Wintermorgenrock à 3,00 = 3,00
2
Bettjäckchen à 0,75 = 1,50
1
kleines Kissen à 1,00 = 1,00
1
Paar Sommerpantoffeln à 1,00 = 1,00
1
Paar Winterpantoffeln à 1,50 = 1,50
1
Paar Sommerschuhe (Schule) à 1,50 = 1,50
1
Paar Sommerschuhe (gut) à 2,00 = 2,00
1
Paar Winterschuhe (Schule) à 2,50 = 2,50
1
Paar Winterschuhe (gut) à 3,00 = 3,00
2
Schürzen à 0,50 = 1,00
25
Taschentücher à 0,05 = 1,25
4
Paar Seidenstrümpfe à 0,75 = 3,00
4
Paar Kniestrümpfe à 0,50 = 2,00
4
Paar Socken à 0,25 = 1,00
2
Paar dicke Socken à 1,00 = 2,00
3
Knäuel weiße Wolle (Hosen, Mütze) = 1,50
3
Knäuel blaue Wolle (Pullover, Rock) = 1,50
3
Knäuel farbige Wolle (Mütze, Schal) = 1,50
Schals, Gürtel, Krägen, Knöpfe = 1,25
Dann noch 2 Schulkleider (Sommer), 2 Schulkleider (Winter), 2 gute Kleider (Sommer), 2 gute Kleider (Winter), 1 Sommerrock, 1 guter Winterrock, 1 Schulwinterrock, 1 Regenmantel, 1 Sommermantel, 1 Wintermantel, 2 Hüte, 2 Mützen.
Das sind zusammen 108 Gulden.
2 Taschen, 1 Eiskostüm, 1 Paar Schlittschuhe mit Schuhen, 1 Schachtel
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