Tagebuch (German Edition)
Versteckregeln überhaupt nicht. Er schreibt nicht nur Briefe an seine Frau, sondern führt auch eine rege Korrespondenz mit diversen anderen Leuten und lässt Margot, die Hinterhauslehrerin für Niederländisch, die Briefe korrigieren. Vater hat ihm streng verboten, damit weiterzumachen. Margots Korrigieren hat aufgehört, aber ich persönlich glaube, dass er das Schreiben wohl bald wieder aufnehmen wird.
Der Führer aller Germanen hat vor verwundeten Soldaten gesprochen. Es war traurig anzuhören. Die Fragen und Antworten waren ungefähr so:
»Heinrich Scheppel ist mein Name.«
»Wo verwundet?«
»Bei Stalingrad.«
»Was verwundet?«
»Zwei abgefrorene Füße und ein Gelenkbruch am linken Arm.«
Genau so gab das Radio dieses schreckliche Marionettentheater an uns weiter. Die Verwundeten schienen noch stolz auf ihre Verwundung zu sein, je mehr, umso besser! Einer brachte vor Rührung, weil er seinem Führer die Hand reichen durfte (falls er diese noch hatte), fast kein Wort heraus.
Ich habe Dussels Duftseife auf den Boden fallen lassen und bin draufgetreten, und jetzt ist ein ganzes Stück rausgebrochen. Ich habe Vater um einen Schadensersatz für ihn gebeten, weil Dussel nur ein Stück Seife im Monat bekommt.
Deine Anne
Donnerstag, 25. März 1943
Liebe Kitty!
Mutter, Vater, Margot und ich saßen gestern Abend sehr gemütlich zusammen. Auf einmal kam Peter herein und flüsterte Vater etwas ins Ohr. Ich hörte was von »eine Tonne umgefallen im Lager« und »jemand an der Tür rütteln«.
Margot hatte es auch verstanden, versuchte aber, mich ein bisschen zu beruhigen, denn ich war natürlich gleich kreideweiß und nervös. Wir drei warteten, Vater war inzwischen mit Peter hinuntergegangen. Keine zwei Minuten später kam Frau van Daan vom Radiohören herauf und sagte, Pim hätte sie gebeten, das Radio auszumachen und leise hinaufzugehen. Aber wie es so ist, wenn man besonders leise sein will, dann krachen die Stufen einer alten Treppe doppelt so laut. Wieder fünf Minuten danach kamen Peter und Pim, weiß bis an die Nasenspitzen, und erzählten uns ihre Widrigkeiten.
Sie hatten sich unten an die Treppe gesetzt und gewartet, ohne Resultat. Aber plötzlich hörten sie auf einmal zwei harte Schläge, als würden hier im Haus zwei Türen zugeschlagen. Pim war mit einem Satz oben, Peter warnte erst noch Dussel, der umständlich und geräuschvoll endlich auch oben landete. Nun ging es auf Strümpfen eine Etage höher, zur Familie van Daan. Herr van Daan war sehr erkältet und lag schon im Bett, deshalb scharten wir uns um sein Lager und tauschten flüsternd unsere Vermutungen aus. Immer wieder, wenn Herr van Daan laut hustete, bekamen seine Frau und ich fast Krämpfe vor Angst. Das ging so lange, bis einer von uns die glänzende Idee hatte, ihm Codein zu geben. Der Husten ließ dann sofort nach.
Wieder warteten und warteten wir, aber nichts war zu hören. Nun nahmen wir eigentlich alle an, dass die Diebe weggelaufen waren, als sie Schritte in dem sonst so stillen Haus gehört hatten. Das Unglück wollte, dass unten am Radio noch der englische Sender eingestellt war und unsere Stühle auch noch ordentlich drumherum standen. Falls die Tür aufgebrochen wäre und der Luftschutzwart das sehen und der Polizei Bescheid sagen würde, könnte das sehr unangenehme Folgen für uns haben. Also stand Herr van Daan auf, zog Hose und Jacke an, setzte einen Hut auf und ging sehr vorsichtig hinter Vater die Treppe hinunter, gefolgt von Peter, der zur Sicherheit mit einem schweren Hammer bewaffnet war. Die Damen oben (mich und Margot eingeschlossen) warteten mit Spannung, bis fünf Minuten später die Herren wieder oben erschienen und sagten, dass im Haus alles ruhig sei. Wir machten aus, dass wir kein Wasser laufen lassen und im Klo nicht die Spülung ziehen würden. Aber da die Aufregung fast allen Hausgenossen auf den Magen geschlagen war, kannst du dir vorstellen, was für ein Gestank dort herrschte, nachdem wir einer nach dem anderen unser Geschäft erledigt hatten.
Wenn so etwas passiert, kommt immer alles Mögliche zusammen. So auch jetzt. Erstens spielte die Westerturmglocke nicht mehr, die mir immer so ein beruhigendes Gefühl gab, und dann war Herr Voskuijl am Abend vorher früher weggegangen, und wir wussten nicht genau, ob Bep den Schlüssel noch bekommen und vielleicht vergessen hatte, die Tür abzuschließen.
Aber jetzt kam es darauf nicht an, es war noch immer Abend, und wir waren noch sehr unsicher, obwohl
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