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Tagebuch (German Edition)

Tagebuch (German Edition)

Titel: Tagebuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Frank
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gelang mir nicht. Ich stand allein vor der schwierigen Aufgabe, mich so zu verändern, dass ich keine Tadel mehr hören musste, denn die drückten mich nieder bis zur schrecklichen Mutlosigkeit.
    In der zweiten Hälfte des Jahres wurde es etwas besser. Ich wurde ein Backfisch, galt als erwachsener. Ich fing an nachzudenken, Geschichten zu schreiben, und kam zu dem Schluss, dass die anderen nichts mehr mit mir zu tun hatten. Sie hatten kein Recht, mich hin und her zu zerren. Ich wollte mich selbst umformen, nach meinem eigenen Willen. Ich verstand, dass ich auf Mutter verzichten kann, ganz und vollständig. Das tat weh. Aber eines traf mich noch mehr, nämlich die Einsicht, dass Vater nie mein Vertrauter werden würde. Ich vertraute niemandem mehr, nur noch mir selbst.
    Nach Neujahr dann die zweite große Veränderung, mein Traum … Durch ihn entdeckte ich meine Sehnsucht nach einem Jungen. Nicht nach einer Mädchenfreundschaft, sondern nach einem Jungenfreund. Entdeckte auch das Glück in mir selbst und meinen Panzer aus Oberflächlichkeit und Fröhlichkeit. Aber dann und wann wurde ich ruhig. Nun lebe ich nur noch von Peter, denn von ihm wird sehr viel davon abhängen, was weiter mit mir passieren wird.
    Abends, wenn ich im Bett liege und mein Gebet mit den Worten beende: »Ich danke dir für all das Gute und Liebe und Schöne«, dann jubelt es in mir. Dann denke ich an »das Gute«: das Verstecken, meine Gesundheit, mein ganzes Selbst. »Das Liebe« von Peter, das, was noch klein und empfindlich ist und das wir beide noch nicht zu benennen wagen, die Liebe, die Zukunft, das Glück. »Das Schöne«, das die Welt meint, die Welt, die Natur und die weite Schönheit von allem, allem Schönen zusammen.
    Dann denke ich nicht an das Elend, sondern an das Schöne, das noch immer übrig bleibt. Hier liegt zu einem großen Teil der Unterschied zwischen Mutter und mir. Ihr Rat bei Schwermut ist: »Denke an all das Elend in der Welt und sei froh, dass du das nicht erlebst.« Mein Rat ist: »Geh hinaus in die Felder, die Natur und die Sonne. Geh hinaus und versuche, das Glück in dir selbst zurückzufinden. Denke an all das Schöne, das noch in dir und um dich ist, und sei glücklich!«
    Meiner Meinung nach kann Mutters Satz nicht stimmen, denn was tust du dann, wenn du das Elend doch erlebst? Dann bist du verloren. Ich hingegen finde, dass noch bei jedem Kummer etwas Schönes übrig bleibt. Wenn man das betrachtet, entdeckt man immer mehr Freude, und man wird wieder ausgeglichen. Und wer glücklich ist, wird auch andere glücklich machen. Wer Mut und Vertrauen hat, wird im Unglück nicht untergehen!
    Deine Anne M. Frank

Mittwoch, 8. März 1944
    Margot und ich haben uns Briefchen geschrieben, nur zum Spaß, natürlich.
    Anne: Verrückt, nicht wahr, mir fallen nächtliche Begebenheiten immer erst viel später ein. Jetzt weiß ich plötzlich, dass Herr Dussel heute Nacht sehr laut geschnarcht hat (jetzt ist es mittwochnachmittags, Viertel vor drei, und Herr Dussel schnarcht wieder, deshalb ist es mir natürlich eingefallen). Ich habe, als ich auf den Topf musste, absichtlich etwas mehr Lärm gemacht, damit das Schnarchen aufhört.
    Margot: Was ist besser, das Geschnappe nach Luft oder das Schnarchen?
    Anne: Schnarchen, denn wenn ich Krach mache, hört es auf, ohne dass die betreffende Person wach wird.

    Etwas habe ich Margot nicht geschrieben, aber dir will ich es bekennen, Kitty, nämlich dass ich sehr viel von Peter träume. Vorgestern Nacht war ich im Traum hier, in unserem Wohnzimmer, auf dem Eis. Mit mir war der kleine Junge von der Kunsteisbahn, der mit seinem Schwesterchen in dem ewigen blauen Kleid und den Storchenbeinen hier lief. Ich stellte mich ihm geziert vor und fragte nach seinem Namen. Er hieß Peter. Schon im Traum fragte ich mich, wie viele Peters ich nun kenne.
    Dann träumte ich, dass wir in Peters Zimmer standen, einander gegenüber. Ich sagte etwas zu ihm, er gab mir einen Kuss. Aber er sagte, dass er mich doch nicht so gern hätte und ich nicht flirten sollte. Mit einer verzweifelten und flehenden Stimme sagte ich: »Ich flirte nicht, Peter!«
    Als ich wach wurde, war ich froh, dass Peter das nicht gesagt hatte.
    Heute Nacht küssten wir uns auch. Aber Peters Wangen waren sehr enttäuschend. Sie waren nicht so weich, wie sie aussehen, sondern wie Vaters Wangen, also die eines Mannes, der sich schon rasiert.

Freitag, 10. März 1944
    Liebste Kitty!
    Heute passt das Sprichwort »Ein Unglück kommt

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