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Tagebücher 01 - Literat und Europäer

Tagebücher 01 - Literat und Europäer

Titel: Tagebücher 01 - Literat und Europäer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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wir über etwas anderes. Denn darüber kann man nicht sprechen … das muss man tun.
    Ich lese Erasmus’ Colloquia , dieses hinreißende Stück Journalismus aus dem sechzehnten Jahrhundert, den Vorläufer aller Feuilletons … diese eifersüchtige, eitle, geistreiche, souveräne, elegante, raffinierte Plauderei, in der sich das Christentum und der Humanismus eines großen Schriftstellers so prächtig ergänzen. Wie mutig spricht er über Menschen, gegen den Krieg, gegen Priester und Mönche, obwohl das zur Zeit der Religionskriege , als Franz I., Karl V. und Heinrich VIII. an der Welt zündelten, wohl kein ganz ungefährliches Unterfangen war. Auf dem Bild Holbeins des Jüngeren beugt sich, erlesen und würdevoll gekleidet, die beringte Hand auf sein Manuskript gestützt, ein Mann über ein Blatt, der mit lateinischen Worten und perfekten stilistischen Formulierungen gegen alle Leidenschaften der Welt zu Felde zieht. Er kämpft lächelnd und elegant. Und was er in der Colloquia-Reihe über die Deutschen sagt, wenn er über die Gasthöfe spricht! Auf das, was Frobenius damals druckte, steht noch heute Scheiterhaufen und Schinden.
    Maeterlinck pocht mit seinen zwei feinen Händchen an die dunkle Pforte des Todes und des Schweigens. Der Titel des Buches: La grande porte . Seine Schlussfolgerung: Ließe sich die irdische Laufbahn des Menschen über die Jahrtausende hinweg in bewegten Bildern verewigen, erschiene in dem Film vermutlich immer wieder derselbe Mensch, wie er immer wieder die Bühne betritt und mit denselben Bewegungen seinen Platz in der Welt sucht.
    Hin und wieder leuchtet und dämmert in der Masse der Plattheiten ein poetischer Satz auf.
    Buffon – der Erste, der davon sprach, dass der Stil der Mensch sei – kleidete sich zum Schreiben an; er zog sich in einer peniblen Prozedur eine Art Talar an, wie ein Priester vor der Messe.
    Der Beveridge-Plan spricht also – soweit man das anhand der schweizerischen Ausgabe verstehen und beurteilen kann – jedem das Recht auf Schaffen zu, das Recht, sich und seine Familienmitglieder durch seine Arbeit zu versorgen, und im Falle von Krankheit (ja, Scheidung!) oder Arbeitsunfähigkeit im Alter das Recht auf eine Grundversorgung. Ein wunderbarer Plan.
    Die Sache hat nur einen Haken. Zwei Milliarden und einige hundert Millionen Menschen zu versorgen bedeutet, in Form von Steuern alles zu kappen, was über einen niedrigen Durchschnittslohn hinausgeht. Mit anderen Worten: Einige wenige talentierte Menschen werden gezwungen sein, zwei Milliarden und einige hundert Millionen Menschen zu versorgen – denn die überwiegende Mehrzahl der Menschen besitzt keinerlei besondere Fähigkeiten, und es sind stets einige wenige Ausnahmetalente, die den Mechanismus und die Systeme des menschlichen Zusammenlebens erfinden, aufrechterhalten und erneuern. Die Frage ist, welche Rückwirkungen ein solch nivelliertes Zusammenleben und solche Belastungen auf die Schaffenslust, den Unternehmergeist der Talentierten haben wird?
    Die Autobiografie von Mihály Táncsics . Der ungarische Freiheitsheld, den Petőfi und seine Gefährten am 15. März 1848 auf ihren Schultern aus dem Gefängnis tragen, ist der Sohn eines kroatischen Tagelöhners und einer slowakischen Magd, dessen lebhafteste Erinnerung an das Dorf im Komitat Veszprém, wo er geboren wurde und aufwuchs, jene glücklichen Monate sind, als er mit einem Kropf einige Monate Kostgänger im Spital des nahe gelegenen Klosters der Barmherzigen Brüder war.
    Wenn man seinen Memoiren Glauben schenken darf – und ich glaube, man darf das –, begann die Verwandlung des Mihály Táncsics von einem seine langen Haarsträhnen mit Fett pomadisierenden jungen Leibeigenen zu einem Schriftsteller und Revolutionär in dem Augenblick, als er sich einmal bei der Fron am Ende des Ackers mit seinen Ochsen auf die faule Haut legte und von dem Heiducken des Gutsherrn mit der Rute grün und blau geprügelt wurde. Das beschreibt er, in knappen Worten.
    Woraus auch wieder hervorgeht, dass es viele Formen von Inspiration geben kann.
    Zitternde Bäume im Juliregen. Die Welt ist jetzt wie eine blonde Dreißigjährige in anderen Umständen, in einem durchsichtigen Mantel.
    Solange man glücklich sein will, ist man wie der Alchimist, der bei der Goldherstellung nur ja nicht an den weißen Elefanten denken will. Das Experiment geht jedes Mal schief.
    Aber eines Tages, als er schon an alles gedacht hat, auch an den weißen Elefanten, erkennt er, dass er manchmal

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