Tagebücher: 1909-1923
Uhr wird und ich mich ins Bett legen kann.
27. III 14 Im ganzen nicht viel verschieden verbracht.
Haß beeilte sich auf das Schiff zu kommen, lief über die Landungsbrücke, kletterte auf ein Verdeck hinauf, setzte sich in einen Winkel, drückte die Hände gegen das Gesicht und kümmerte sich von jetzt an um niemanden mehr. Die Schiffsglocke läutete, Leute liefen vorüber, weit, als wäre es am andern Ende des Schiffes sang einer aus voller Brust
Man wollte schon den Landungssteg zurückziehn, da kam ein kleiner schwarzer Wagen angefahren, der Kutscher schrie von weitem, das sich bäumende Pferd mußte mit aller Kraft gehalten werden, ein junger Mann sprang aus dem Wagen, küßte einen alten weißbärtigen Herrn, der sich unter dem Wagendach vorbeugte und lief mit einem kleinen Handkoffer aufs Schiff, das sofort vom Lande abgestoßen wurde.
Es war etwa drei Uhr nachts, aber im Sommer, und schon halb hell. Da erhoben sich im Stall des Herrn von Grusenhof seine fünf Pferde Famos, Grasaffe, Tournemento, Rosina und Brabant. Wegen der schwülen Nacht war die Stalltür nur zugelehnt, die zwei Pferdewärter schliefen im Stroh auf dem Rücken über ihrem offenem Mund schwebten die Fliegen auf und ab, es gab kein Hindernis. Grasaffe stellte sich so auf daß er die beiden Männer unter sich hatte und war, während er ihre Gesichter beobachtete, bereit, beim geringsten Zeichen des Erwachens mit den Hufen zuzustoßen. Die vier andern verließen inzwischen mit zwei leichten Sprüngen einer hinter dem andern den Stall, Grasaffe folgte ihnen.
30 III 14 Anna sah durch die Glastür daß im Zimmer des Mieters dunkel war, sie kam herein und drehte das elektrische Licht auf, um für die Nacht aufzubetten. Aber der Student saß halb liegend auf dem Kanapee und lächelte sie an. Sie entschuldigte sich und wollte hinaus. Aber der Student bat sie, sie möge bleiben und keine Rücksicht auf ihn nehmen. Sie blieb auch und tat ihre Arbeit unter einigen Seitenblicken zum Studenten hin.
5. IV 14
Wenn es möglich wäre, nach Berlin zu gehn, selbstständig zu werden, von Tag zu Tag zu leben, auch zu hungern, aber seine ganze Kraft ausströmen lassen statt hier zu sparen oder besser sich abzuwenden in das Nichts! Wenn F. es wollte, mir beistehn würde!
7 IV 14
8 IV 14 Gestern unfähig auch nur ein Wort zu schreiben. Heute nicht besser. Wer erlöst mich? Und in mir das Gedränge, in der Tiefe, kaum zu sehn. Ich bin wie ein lebendiges Gitterwerk, ein Gitter, das feststeht und fallen will.
Heute im Kaffeehaus mit Werfel. Wie er von der Ferne beim Kaffeehaustisch aussieht. Geduckt, selbst im Holzsessel halb liegend, das im Profil schöne Gesicht an sich gedrückt, vor Fülle (nicht eigentlicher Dicke) fast schnaufend, ganz und gar unabhängig von der Umgebung, unartig und fehlerlos. Die hängende Brille erleichtert durch ihre Gegensätzlichkeit das Verfolgen der zarten Umrißlinien des Gesichtes
6. V 14 Die Eltern scheinen eine schöne Wohnung für F. und mich gefunden zu haben, ich bin nutzlos einen schönen Nachmittag lang herumgestrichen. Ob sie mich auch noch ins Grab legen werden nach einem durch ihre Sorgfalt glücklichen Leben.
Ein Adeliger, namens Herr von Griesenau, hatte einen Kutscher Josef, den kein anderer Dienstgeber hätte ertragen können. Er wohnte in einem ebenerdigen Zimmer neben der Portierloge, da er infolge seiner Dicke und Kurzatmigkeit unfähig war, Treppen zu steigen. Seine einzige Beschäftigung war das Kutschieren, aber auch dazu wurde er nur bei besondern Gelegenheiten etwa einem Gast zu Ehren verwendet, sonst aber lag er ganze Tage ganze Wochen, auf einem Ruhebett in der Nähe des Fensters und sah mit seinen kleinen, tief ins Fett eingesenkten, auffallend schnell zwinkernden Augen aus dem Fenster auf die Bäume, welche
Der Kutscher Josef lag auf seinem Ruhebett, richtete sich nur auf um von einem Tischchen einen Schnitten Butterbrot mit Häring zu nehmen, lehnte sich dann wieder zurück und starrte kauend umher. Durch seine großen runden Nasenlöcher zog er die Luft mit Mühe ein, manchmal mußte er, um genug Luft zu gewinnen, im Kauen einhalten und den Mund öffnen, sein großer Bauch zitterte ununterbrochen unter den vielen Falten des dünnen dunkelblauen Kleides.
Das Fenster war geöffnet, man sah eine Akazie und einen leeren Platz. Es war ein niedriges Parterrefenster, Josef sah von seinem Ruhebett aus alles und jeder konnte ihn von außen sehn. Das war peinlich,
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