Tagebücher 1909-1923
sich hier um, um den Eindruck der Erzählung von den Gesichtern der Anwesenden abzulesen. Keiner lachte, alle hörten geduldig und ernsthaft zu. Schließlich lacht man auch
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nicht über den Neffen eines Staatsrates bei der ersten Gelegenheit die sich darbietet. Eher hätte man schon sagen können, daß der Heizer wenn auch nur ganz wenig Karl anlächelte, was aber erstens als neues Lebenszeichen erfreulich und zweitens entschuldbar war, da ja Karl in der Kabine aus dieser Sache, die jetzt so publik wurde, ein besonderes Geheimnis hatte machen wollen.
Nun hat diese Brummer setzte der Onkel fort, von meinem Neffen ein Kind bekommen, einen gesunden Jungen, welcher in der Taufe den Namen Jakob erhielt, zweifellos in Gedanken an meine Wenigkeit, welche selbst in den sicher nur ganz nebensächlichen Erwähnungen meines Neffens auf das Mädchen einen großen Eindruck gemacht haben muß.
Glücklicherweise sage ich. Denn da die Eltern zur Vermeidung der Alimentenzahlung oder sonstigen bis an sie selbst heranreichenden Skandales – ich kenne wie ich betonen muß, weder die dortigen Gesetze noch die sonstigen Verhältnisse der Eltern, sondern weiß nur von zwei Bettelbriefen der Eltern aus früherer Zeit, die ich zwar unbeantwortet gelassen aber aufgehoben habe und welche meine einzige und überdies einseitige briefliche Verbindung mit ihnen in der ganzen Zeit bedeuten – da also die Eltern zur Vermeidung der
Alimentenzahlung und des Skandales ihren Sohn meinen lieben Neffen nach Amerika haben transportieren lassen, mit unverantwortlich ungenügender Ausrüstung, wie man sieht –
wäre der Junge, wenn man von den gerade noch in Amerika lebendigen Zeichen und Wundern absieht, auf sich allein angewiesen, wo hl schon gleich in einem Gäßchen im Hafen von Newyork verkommen, wenn nicht jenes Dienstmädchen in einem an mich gerichteten Brief, der nach langen Irrfahrten vorgestern in meinen Besitz kam, mir die ganze Geschichte, samt Personenbeschreibung meines Neffe n
und
vernünftigerweise auch Namensnennung des Schiffes die Ankunft meines Neffen angezeigt hat. Wenn ich es darauf
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angelegt hätte, sie meine Herren zu unterhalten, könnte ich wohl einige Stellen jenes Briefes – er zog zwei riesige eng beschriebene Briefbogen aus der Tasche und schwenkte sie –
hier vorlesen. Er würde sicher Wirkung machen, da mit einer etwas einfachen wenn auch immer gut gemeinten Schlauheit und mit viel Liebe zu dem Vater ihres Kindes geschrieben ist.
Aber ich will weder sie mehr unterhalten, als es zur Aufklärung nötig ist noch vielleicht gar zum Empfang möglicherweise noch bestehende Gefühle meines Neffen verletzen, der den Brief, wenn er mag, in der Stille seines ihn schon erwartenden Zimmers zur Belehrung lesen kann.
Karl hatte aber keine Gefühle für jenes Mädchen. Im Gedränge einer immer mehr zurückgestoßenen Vergangenheit saß sie in ihrer Küche neben dem Küchenschrank, auf dessen Platte sie ihren Elbogen stützte. Sie sah ihn an, wenn er hin und wieder in die Küche kam, um ein Glas zum Wassertrinken für seinen Vater zu holen oder einen Auftrag seiner Mutter auszurichten. Manchmal schrieb sie in der vertrakten Stellung seitlich vom Küchenschrank einen Brief und holte sich die Eingebungen von Karls Gesicht. Manchmal hielt sie die Augen mit der Hand verdeckt, dann drang keine Anrede zu ihr.
Manchmal kniete sie in ihrem engen Zimmerchen neben der Küche und betete zu einem hölzernen Kreuz, Karl beobachtete sie dann nur mit Scheu im Vorübergehn durch die Spalte der ein wenig geöffneten Tür. Manchmal jagte sie in der Küche herum und fuhr wie eine Hexe lachend zurück, wenn Karl ihr in den Weg kam. Manchmal schloß sie die Küchentüre, wenn Karl eingetreten war, und behielt die Klinke solange in der Hand bis er wegzugehn verlängte. Manchmal holte sie Sachen, die er gar nicht haben wollte, und drückte sie ihm schweigend in die Hände. Einmal aber sagte sie "Karl! " und führte ihn, der noch über die unerwartete Ansprache staunte, unter Grimassen seufzend in ihr Zimmerchen, das sie zusperrte. Würgend umarmte sie seinen Hals und während sie ihn bat sie zu
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entkleiden, entkleidete sie in Wirklichkeit ihn und legte ihn in ihr Bett, als wolle sie ihn von jetzt niemandem mehr lassen und ihn streicheln und pflegen bis zum Ende der Welt. "Karl, o Du mein Karl" rief sie als sehe sie ihn und bestätige sich seinen Besitz, während er nicht das geringste sah und sich unbehaglich in dem vielen
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