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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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was Euch wohltut habt ihr es abgesehn. Schämt Euch.
    Kommt ein anderesmal, wenn ich kräftiger bin. Nützt meinen Zustand nicht so aus. " Und tatsächlich, ohne andere Beweise auch nur abzuwarten, wichen sie zurück, zerstreuten sich langsam und störten mich nicht mehr auf meinem weitern natürlich nicht übermäßig glücklichen Spaziergang. Sie vergaßen aber offenbar, daß sie, wenn sie alle meine schlechten Zustände respektieren wollen, selten an die Reihe kommen werden.
    Durch den Benzingeruch eines vom Teater her fahrenden Automobils wurde ich darauf aufmerksam, wie sichtbar auf die mir entgegenkommenden Teaterbesucher die mit letzten Griffen ihre Mäntel und hängenden Gucker in Ordnung bringen, eine schöne Häuslichkeit wartet (und sei sie auch nur von einer Kerze beleuchtet, so ist es ja vor dem Schla fengehn recht) wie sie aber auch aus dem Teater nach hause geschickt erscheinen, als untergeordnete Personen, vor denen der Vorhang zum letztenmal niedergegangen ist und hinter denen sich die Türen geöffnet haben, durch die sie vor Anfang oder während des ersten Aktes hochmütig wegen irgend einer lächerlichen Sorge eingetreten sind.

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    Heft 4
    28. XI 11 3 Tage lang nichts geschrieben.
    25. XI (1911) den ganzen Nachmittag im Cafe City
    Miska überredet, eine Erklärung zu unterschreiben, daß er nur Commis bei uns war, also nicht versicherungspflichtig und der Vater nicht verpflichtet wäre, die große Nachtragszahlung für seine Versicherung zu leisten. Er verspricht es mir, ich rede ein flüssiges Cechisch, besonders meine Irrtümer entschuldige ich elegant, er verspricht die Erklärung Montag ins Geschäft zu schicken, ich fühle mich von ihm, wenn nicht geliebt, so doch respektiert, aber am Montag schickt er nichts, ist auch nicht mehr in Prag, sondern weggefahren.
    Abend matt bei Baum ohne Max.
    Vorlesung "der Häßlichen", einer noch zu ungeordneten Geschichte, das erste Kapitel ist mehr der Lagerplatz einer Geschichte.
    26. XI (1911) So. Mit Max R. u. S. vormittag u. nachmittag bis 5. Dann zu A. M. Pachinger.
    Sammler aus Linz, von Kubin empfohlen, 50 Jahre, riesig, turmartige Bewegungen, wenn er längere Zeit schweigt, beugt man den Kopf, da er ganz schweigt, während er sprechend nicht ganz spricht, sein Leben besteht aus Sammeln und Koitieren.
    Sammeln: Mit einer Sammlung von Briefmarken fieng er an, gieng dann zur Graphik über, sammelte dann alles, sah dann die Nutzlosigkeit dieser sich niemals abrundenden Sammlung ein und beschränkte sich auf Amulette, später auf
    Wallfahrtsmedaillen und Wallfahrtsblätter von Niederösterreich und Südbayern. Es sind dies M. und Bl. die separat für jede Wallfahrt neu aufgelegt werden, im Material und auch künstlerisch meist wertlos sind, oft aber gemütliche Darstellungen enthalten. Darüber fieng er nun auch fleißig zu publicieren an undzwar zum erstenmal über diesen Gegenstand,
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    für dessen Systemisierung er erst die Gesichtspunkte feststellte.
    Natürlich empörten sich die bisherigen Sammler dieser Dinge, die es versäumt hatten zu publicieren, mußten sich dann aber doch zufrieden geben. Jetzt ist er anerkannter Sachverständiger für diese Wallfahrtsmedaillen, aus allen Gegenden kommen Bitten um Bestimmung und Begutachtung dieser Medaillen, seine Stimme gilt. Im übrigen sammelt er auch alles andere noch, sein Stolz ist ein Jungferngürtel (Scapulier?), der wie auch alle seine Amulette auf der Dresdner hygienischen Ausstellung ausgestellt gewesen ist. (Jetzt war er eben dort und hat alles zum Transport verpacken lassen) Dann ein schönes Ritterschwert vom Falkensteiner. Mit einer schlechten nur durch Sammeln erreichbaren Klarheit verhält er sich zur Kunst. Aus dem Kaffeehaus im Hotel Graf führt er uns in sein überheiztes Zimmer hinauf, setzt sich aufs Bett, wir auf 2 Sessel um ihn, so daß wir eine ruhige Versammlung bilden. Seine erste Frage
    "Sind sie Sammler?" "Nein nur arme Liebhaber." "Das macht nichts." Er zieht seine Brieftasche und bewirft uns förmlich mit Exlibris, eigenen und fremden, untermischt mit einem Prospekt seines nächsten Buches "Zauberei und Aberglaube im Steinreich". Er hat schon viel geschrieben, besonders über
    "Mutterschaft in der Kunst" den schwangeren Körper hält er für den schönsten, er ist ihm auch am angenehmsten zu vögeln.
    Auch über Amulette hat er geschrieben. Er war auch in Stellung in den Wiener Hofmuseen, hat Ausgrabungen in Braila an der Donaumündung geleitet, ein nach ihm bena

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