Tagebücher 1909-1923
nntes Verfahren zum Binden ausgegrabener Vasen erfunden, ist 13faches Mitglied von gelehrten Gesellschaften und Museen, seine Sammlung ist dem Germanischen Museum in Nürnberg vermacht, oft sitzt er bis 1 oder 2 Uhr an seinem Schreibtisch in der Nacht und um h 8
früh wieder. Wir müssen etwas in das Stammbuch einer Freundin eintragen, das er auf die Reise mitgenommen hat, um es füllen zu lassen. Selbstproducierende kommen an den Anfang. Max trägt einen komplicierten Vers ein, den Hr. P. mit
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dem Sprichwort "auf Regen kommt Sonnenschein" zu übersetzen versucht. Vorher hat er es mit einer hölzernen Stimme vorgelesen. Ich schreibe:
Kleine Seele
springst im Tanze u. s. w.
er liest wieder laut, ich helfe, schließlich sagt er: "Ein persischer Rythmus? Wie heißt das nur? Ghasele? Nicht?" Da können wir nicht zustimmen und was er meint, auch nicht erraten. Endlich zitiert er ein Ritornell von Rückert. Ja also Ritornell hat er gemeint. Das ist es allerdings auch nicht. Gut, aber einen gewissen Wohlklang hat es. Beim Wegge hn zerwirft er das Bett, damit es vollständig sich der Zimmerwärme angleiche, außerdem ordnet er weiteres Einheizen an. – Er ist Freund Halbes. Er möchte gern über ihn reden. Wir viel lieber über Blei. Über den ist aber nicht viel zu reden, er wird in den Münchner
litterarischen Gesellschaften wegen litt.
Schweinereien mißachtet, von seiner Frau, die als Zahnärztin ein besuchtes Atelier hatte und ihn erhielt ist er geschieden, seine Tochter 16 Jahre blond mit blauen Augen ist das wildeste Mädel von München. In Sternhqims "Hose" – Pachinger war mit Halbes im Teater – spielte Blei einen alternden Lebemann. Als ihn Pachinger nächsten Tag traf, sagte er "Herr Dr., Sie haben gestern den Dr. Blei gespielt. " Wieso? wieso? sagte er verlegen, ich habe doch den und den gespielt. " – Kubins Eheleben ist schlecht. Seine Frau ist Morphinistin. P. ist überzeugt, daß es Kubin auch ist. Man beobachte ihn nur wie er aus der größten Lebhaftigkeit plötzlich mit spitzer Nase und hängenden Wangen verfällt, geweckt werden muß, sich mit einem Aufraffen wieder ins Gespräch findet, nach einer Pause wieder still wird, was sich dann in immer kürzeren Pausen wiederholt. Auch fehlen ihm oft Worte. – Über Weiber: Die Erzählungen über seine Potenz machen einem Gedanken darüber, wie er wohl sein großes Glied langsam in die Frauen stopft. Sein Kunststück in frühern Zeiten war, Frauen so zu ermüden, daß sie nicht mehr konnten. Dann
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waren sie ohne Seele, Tiere. Ja diese Ergebenheit kann ich mir vorstellen. Er liebt Rubensweiber wie er sagt, meint aber solche mit großen oben gebauchten unten flachen, sackartig hängenden Brüsten. Er erklärt diese Vorliebe damit, daß seine erste Liebe eine solche Frau, eine Freundin seiner Mutter und Mutter eines Schulkollegen
29. XI (1911)
war, die ihn mit 15 Jahren verführte. Er war besser in Sprachen, sein Kollege in Mathematik, so lernten sie mit einander in der Wohnung des Kollegen, da geschah es. Er zeigt Photographien seiner Lieblinge. Sein gegenwärtiger ist eine ältere Frau, die auf einem Sessel mit gespreizten Beinen, gehobenen Armen, von Fett faltigem Gesicht sitzt und so ihre Fleischmassen zeigt. Auf einem Bilde, das sie im Bett darstellt, sind die Brüste, so wie sie ausgebreitet und geschwollen förmlich geronnen aussehn, und der zum Nabel gehobene Bauch gleichwertige Berge. Ein anderer Liebling ist jung, sein Bild ist nur ein Bild der aus der aufgeknöpften Rlouse gezogenen langen Brüste und eines abseits schauenden in einem schönen Mund zugespitzten Gesichtes. In Braila hatte er damals großen Zulauf der dicken, viel vertragenden, von ihren Männern
ausgehungerten Kaufmannsfrauen, die dort zur Sommerfrische lebten. Sehr ergiebiger Fasching in München. Nach dem Meldeamt kommen während des Faschings über 6000 Frauen ohne Begleitung nach München offenbar nur um sich koitieren zu lassen. Es sind Verheirathete, Mädchen, Witwen aus ganz Bayern, aber auch aus den angrenzenden Ländern.
Aus dem Talmud: Geht ein Gelehrter auf Brautschau, so soll er sich einen amhorez mitnehmen, da er zu sehr in seine Gelehrsamkeit versenkt das Notwendige nicht merken würde. –
Die Telephon- und Telegraphendrähte um Warschau sind durch Bestechungen zu einem vollkommenen Kreis ergänzt, der im Sinne des Talmud aus der Stadt ein abgegrenztes Gebiet, gewissermaßen einen Hof bildet, so daß es auch dem
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Frömmsten möglich
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