Tagebücher der Henker von Paris
wird dich deine Schwäche bringen?«
Selbstverständlich spielte bei solchen Akten sein Sohn auch mit und nahm unter den Verwünschten den ersten Platz ein.
Mit der Naivität seines Standes machte er Louis für den aufrührerischen Geist verantwortlich, welcher damals alle Stände durchdrang und in ihm den bittersten Feind hatte.
Das Herz des Meisters Mathurin verhärtete sich allgemach in seinem Zorn und in der Abneigung, welche ihm der vermeintliche Abfall seines Sohnes von Sitte und Recht einflößte. Er sprach seine Gefühle nicht mehr offen aus. Szenen wie die früher beschriebenen wurden immer seltener, aber indem sie an Heftigkeit verloren, wurde das Gefühl, welches sie hervorrief, immer stärker, nahm an Festigkeit zu, und schließlich wurde aus der politischen Leidenschaft des Meisters Hufschmied ein ganz unerträglicher Fanatismus. Bisweilen auf seinem Amboß sitzend, mit verschränkten Armen, den Kopf auf die Brust gesenkt, ließ er zu seinem Sohne hinüber wilde Blicke gleiten, und man hörte ihn ganz leise feindliche und drohende Worte murmeln.
Eines Sonntags – die Werkstatt war geschlossen, der Herd finster und alles darin stumm – sah Jean Louis von dem Fenster seiner Kammer aus den alten Mathurin, gefolgt von der Magd, aus der Messe zurückkehren. Er bemerkte, daß der früher so feste Schritt des alten Hufschmieds zitternd und unsicher geworden war, und zum ersten Male entsetzte er sich über das furchtbare Leiden, welches diese Züge kennzeichneten. Er beschloß, das endlich auszuführen, wozu er sich schon längst entschlossen hatte. Er stieg schnell die Treppe hinab, um endlich einmal die Aussprache herbeizuführen, die nach seiner Meinung die Ruhe im Hause wieder herstellen mußte.
Aber Jean Louis hatte eine böse Stunde gewählt.
Es war an den königlichen Marställen eingeführt worden, daß Meister Mathurin alle Vierteljahr dem Stallmeister sein Rechnungsbuch für das königliche Haus überbringen mußte, damit dieser Beamte die Richtigkeit prüfe und durch Namensunterschrift bezeuge. Erst dann wurde durch den Schatzmeister die Zahlung geleistet.
Tags vorher nun hatte der alte Hufschmied dem Beamten seinen vierteljährlichen Besuch abgestattet, dieser die Rechnungen geprüft, alles in Ordnung gefunden, nichtsdestoweniger aber mit einem traurigen Lächeln dem Handwerker das Buch zurückgegeben.
Auf die Verwunderung Mathurins entspann sich folgendes Gespräch.
Der Schatzmeister sagte:
»Dies Vierteljahr, lieber Herr Louschart, werde ich das Vergnügen haben, Euch zweimal statt früher einmal zu sehen. Seit einiger Zeit setzen uns unsere Gläubiger so sehr zu, daß wir nicht mehr wissen, wo aus noch ein, und so viele machen Forderungen an uns geltend, daß ich Euch eben nur eine Abschlagssumme bieten kann.«
Das Gesicht des Meisters Mathurin hatte sich bei diesen Worten in tausend Falten gezogen und eine Grimasse geschnitten, über deren Bedeutung der Schatzmeister nicht im unklaren bleiben konnte.
»Haben Sie, mein Herr,« sagte der Hufschmied endlich, »meine Rechnungen geprüft und für richtig erkannt?«
»Bei Gott, wir kennen Euch doch schon lange genug und wissen, daß Ihr ebenso rechtschaffen wie geschickt seid, lieber Herr Louschart.«
»Weiter brauche ich nichts, mein Herr!« hatte der Hufschmied geantwortet, aus seinem Buche die Rechnungen gerissen, sie in seinen breiten Händen zusammengeballt und ins Feuer geworfen.
»Was zum Teufel tun Sie da?« rief der Schatzmeister.
»Mein Herr!« entgegnete kalt der Hufschmied, »ich bin nicht einer von den Unglücksvögeln, welche die Hand, die sie ernährt hat, zerfleischen, wenn sie leer ist; der König schuldet mir fünftausendachthundertzweiunddreißig Livres und sechs Sous, das ist alles. – Der König kann mich bezahlen, wann es ihn gutdünkt. Und wenn ich jemals in meinem Leben bedauert habe, nichts mehr als Mathurin Louschart zu sein, so ist dies heute, um nicht mit Fug und Recht Seiner Majestät sagen zu können: Sire, hier sind zweihundertzwanzigtausend Livres! Den größten Teil davon habe ich in Eurer Majestät Diensten erworben, nehmen Sie sie hin und seien Sie überzeugt, daß Eurer Majestät Hufschmied sich der hohen Ehre, ein Gläubiger des Königs von Frankreich sein zu dürfen, bis zum Lebensende würdig zu erweisen bemühen wird!«
Ohne die Danksagungen und freundlichen Reden des Schatzmeisters länger anzuhören, war Meister Mathurin nach Hause gegangen, voll Schmerz und Kummer über die Armut des
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