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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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bin so «außer mir», daß ich mich im Moment nicht mal selber definieren könnte: wer oder was ich bin, wohin ich gehöre: bin an der Grenze, mich mit den Freunden wie Grass zu zerstreiten (aber muß man nicht auch Freundschaften solchen Prüfungen unterziehen?), weil ich seine Position vis-à-vis der DDR nicht mehr verstehe, nicht akzeptiere und sie z. T. verlogen finde («Die Tschechen bitten die Russen bereits, ihre Truppen nicht abzuziehen» – – – genau das Gegenteil ist wahr, genau den Abzug hat Havel dieser Tage in Moskau erreicht).
    Mich verunsichert das alles, auch die Nicht-Verunsicherung solcher Leute, die – wie auch Stefan Heym neulich: «Ich bin überzeugt, ein Harnack würde in dieser Situation …»; er WEISS also genau, was wer wann tun würde oder getan hätte – immer alles wissen, nie (sich) in Frage stellen.
    6. März
    Vorläufiger Tiefstpunkt der Betrachtung meiner Person die eben abgeschlossene Lektüre von Fichtes Tagebuch-Manuskript («Wir sind schließlich nicht befreundet»), das ein einziges Sammelsurium von Gemeinheiten, Lügen oder auch bösartigst-voyeuristisch notierten wahren Begebenheiten ist. Bis zu meiner Schwanzgröße (die er übertreibt – mit der Sucht aller Schwulen gibt es bei ihm NUR Riesenschwänze) werden Parties bei mir oder Abendessen, Vorträge oder Telefonate erlogen, erfunden, umgedichtet. Es geht nicht mal so sehr darum, daß das natürlich keine Literatur ist – sondern darum, daß ich mich ja nun wahrlich mit Fichte über Jahre hinweg für BEFREUNDET hielt (wenn auch mit den in einer Freundschaft selbstverständlichen Aufs und Abs), mich mal etwas zurückzog, ihn mal mit seiner lästigen Neugier und Aufdringlichkeit abwehrte (etwa, als er mir nach Sylt nachreiste): hier nun genau geschildert, im selben Atemzug mit Schmähungen derer, die nach Sylt führen! – – – und nun Giftmüll lesen muß (es geht übrigens AUCH darum, ob ich derlei drucken lassen oder «verbieten» soll).
    Aber ich verbiete keine Bücher.
    8. April
    Passendes Datum, um noch immer ganz vergiftet zu sein von Fichtes Heimtücke-Texten: Heute vor vier Wochen war sein Todestag. Mir wird übrigens das Genre Tagebuch wieder mal sehr verdächtig (aus welchem «Verdacht» heraus ich ja auch viele Jahre keines schrieb): Hat es nicht etwas Unreinliches und Lächerliches zugleich, wenn ich nun hier sitze und den gestrigen Abend mit Günter Grass aufschreibe, während der seinerseits vermutlich zu eben dieser Stunde an seinem Schreibtisch sitzt, um eben diesen Abend aufzuschreiben? (Amüsant allenfalls wäre der Vergleich der Notate …): Mir jedenfalls sitzt dieser Abend wie eine Gräte quer im Hals – es war ja vorauszusehen, daß wir uns streiten, weil unsere Positionen in Sachen «Deutschland einig Vaterland» (wo mich allenfalls graust, daß es bald wieder «Heilig Vaterland» heißen mag) so diametral entgegengesetzt sind. Wer ihm widerspricht, ist «rechts» – aber meine insistierenden Fragen nach «links», nach Sozialismus kann er nicht beantworten; bzw. so halb, wie die nach dem von ihm favorisierten Konföderationsmodell – die Schweiz sei das, was doch aber nur beim Postleitzeichen CH noch stimmt, in Wahrheit ist es EIN Bundesstaat mit EINER Regierung, Währung usw. Grass wird auf solche Einwände hin geradezu wütend, schimpft («Du bist ein rechter FDPwähler») und beurteilt die Welt AUSSCHLIESSLICH danach, wann er zu wem was gesagt hat bzw. nicht (wie er auch meine Reise zu Vargas Llosa als persönliche Kränkung auffaßt; ich habe nicht mit Leuten zu verkehren, nicht mal zu REDEN, mit denen er sich gezankt hat – und mein Einwand, daß er jenseits dieses auf einem irrigen Zitat basierenden Zanks in Wahrheit politisch Vargas Llosa näher steht als dem von ihm so vehement verteidigten García Márquez, wird abgetan wie ein Rülpser).
    Mexiko, 10. April
    Ein Tag im Leben der Schnecke/mit der Schnecke, der Schwester: Nachdem sie mich gestern für 60 Dollar mit dem Taxi hatte nach Guadalajara fahren lassen, wo alle Museen montags geschlossen sind – «das weiß ich doch nicht» –, war verabredet, mich heute um 9.00 abzuholen und nach Guadalajara zu fahren. Ich rufe – niemand ist da – an; sie schläft. «Wie spät ist es denn?» «9.30.» «Ach, ich habe so schlecht geträumt, daß …» 15 Minuten Bericht über ihre Träume. «Ich komme gleich.» 11.30 im Hotelgarten, in dem 6 Menschen sitzen: «Ich suche dich seit 20 Minuten, ich habe dich garnicht gesehen.» Zum

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