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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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deutschen Nachkriegsgeschichte. Wäre lieber in Berlin. Nun wollte ich den Abend alleine bei mitgebrachtem Champagner am TV verbringen; habe mich aber eben mit Ledig zum Abendessen verabredet. Noch ne Pointe. Die knallendste allerdings ist, daß ich erpreßt (oder denunziert) werden soll mit meiner «stalinistischen Vergangenheit» (die es wahrlich nicht gibt!). Gisela Elsner ruft mich gestern – «aus alter Treue» – an: «Ex-DKP- oder andere Genossen» hätten meine alten «stalinistischen Gutachten» aus dem Verlag Volk und Welt an sich gebracht und wollten die «auf irgendeine Weise gegen Sie verwenden». Nun weiß ich zwar, daß ich nicht ein stalinistisches Gutachten je schrieb; aber – die Affäre Johnson – aus Zitaten und aus einer Zeit, wo man Faulkner zum Niggerlover umlog, um ihn «durchzukriegen», oder Sartre «abschoß», um damit für Böll legitimiert zu sein: Aus derlei kann man viel collagieren …
    Zu eigenartig, dieser nie nachlassende Haß; dem sich allmählich alle beugen (warum sollte auch irgendjemand «für mich kämpfen»?). Mit derselben Geste des Belästigt-Aufgebenden, mit der Hochhuth neulich sein Bemühen aufgab, mich in die Berliner Akademie «einzubringen», sagte mir Joachim Kaiser gestern am Telefon: «Es hat keinen Sinn mit der Akademie Darmstadt, es wird nie was – lassen wir’s besser.»
    Affigkeiten, verglichen mit dem «deutschen Jahr», das hinter einem liegt, das jeden Tag neue Überraschungen – von den Westgeld-Wichsvorlagen für die jungen Burschen der Roten Armee, die uns immerhin mal befreite, bis zum westdeutschen Personalausweis für Honecker und Mielke – bot. Ich habe das alles hier nicht notiert. Es ging ja ein in meine 3 «großen» Deutschland-Artikel, in die Hörbild-Collage und gar in den Roman. (Kette der Pointen ohne Ende: FAZ macht ihre Messe-Literatur-Beilage auf mit einem Foto der Gruppe 47. Im Vordergrund: der junge F. J. R.)
    Parkhotel, Frankfurt, den 4. Oktober
    Die Riesenparty namens Messe (die mich bis zur zittrigen Schrift nervös macht), auf der Hunderte von literarischen Gschaftlhubern und kaum Autoren zu sehen sind. 2 Ausnahmen: Grass liest aus «Totes Holz» mit der feierlichen Inbrunst einer «Premiere»; aber er hat es schon Dutzende Male vorgelesen. Ein Missionar, der sich ständig selber missioniert. Gestern abend beim Rowohlt-Fest irrte er umher: «Ich suche meine Frau» – 5 Minuten später stand er mit seiner Geliebten am Tresen. Katholische Weltsicht.
    Gegenbeispiel: Heiner Müller, der, den Rücken zum Publikum gewendet, an einem Ecktisch steht, seine Cigarre pafft und zynische Witze über Brecht, Seghers u. a. m. erzählt, am zynischsten über sich selber und seine Akademie-«Präsidentenwürde»: «mit Chauffeur»! Protestantische Askese.
    10. Oktober
    Zurück aus München, kleiner Umweg, da ich im Anschluß an die Messe in Göppingen eine Lesung aus dem Tucholsky-Buch hatte; wieder verzagt und erbost über diese Hurerei: Man sitzt in irgendeinem Halleneingang unter der Annonce «Heute mittag Schweineschulter in Altbiersauce mit Hefeknödel» – – – aber kein Mensch begrüßt einen, man bekommt nicht mal ne Tasse Kaffee, und bei der Vorstellung wird nicht eines meiner Bücher auch nur erwähnt. Kam mir zwischen den staubsaugenden Kellnern wie ein Häufchen Elend vor.
    Dabei das Messe-Ende noch ganz vergnüglich und dem Ego schmeichelnd: Leute vom SZmagazin fragten, ob ich mitarbeiten wolle und dürfe; Leute vom STERN sagten, am liebsten hätten sie mich als Ressortchef, und bei dem Stichwort kam ein anderer, mir fremder Herr und sagte: «Nein, den wollen WIR als Ressortchef» – das war ein Knabe vom SPIEGEL. Alles Quatsch – aber die Fama …
    Den letzten Abend noch einen Drink mit Hochhuth und seiner noch-nicht-geschiedenen Frau (seit der Trennung sind sie innig). Ein geradezu groteskes Paar, sie thront wie ein riesiger Transvestit mit enormen Haaren, mächtigen Händen und unter dem Rocke fast hervorplatzenden machtvollen Schenkeln – und er daneben, klein wirkend, ein ältlicher Nörgler, der gleichwohl BESTIMMT, wohin man jetzt geht oder nicht geht, zum Hotel-Empfang rast, um eine WELT mit einem Artikel von sich zu kaufen, in dem auf 600 Druckzeilen seine ewig variierte These, daß von «Bonn nichts bleiben wird, als was hindurchfließt: der Rhein» verkündet wird.
    In München wollte ich nun endlich mal einen ruhigen Abend alleine haben. Als ich um 8 Uhr das Restaurant suchte und nicht fand, wo der Portier mir

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