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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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wer MACHT wohl alle diese Umbauten – «Günter hat trotz Gehämmer oft bis 11 geschlafen» –? Ute. Und bei Paul Karin, die selber von den manchmal 5 Faxen erzählte, die sie heimlich hinter Pauls Rücken an die Handwerker schickte.) SO wird MEIN Umbau nicht vonstatten gehen.
    Der Abend war freundschaftlich, weich und ohne Schärfe, OBWOHL wir auch – bei köstlicher Fischsuppe, Spargel und mächtigen deutschen Schnitzeln – stritten. Worüber schon: über die Doppeltheit von Moralpolitik und Geist in diesen unseren Zeiten: Stephan Hermlin, der einst mit seiner «Westgeliebten» Ulla Hahn bei mir hier auf dem Sofa saß und auf meine ziemlich bitteren politischen Vorhaltungen, den Tränen nahe (falls Gips weinen kann), sagte: «Dies ist nicht mehr meine Partei» – aber nie austrat; Kunze, über den viele heute erzählen, in seiner Funktionärszeit habe man sich vor ihm gefürchtet; Hans Mayer, der die Jahre von Loests Haft hindurch dessen Frau heimlich unterstützte – und jetzt, ad maiorem gloriam Hans Mayer die DDR, Becher und den Antifaschismus verklärt, sich die eigene Biographie zurechtlügend; ich selber, der ja – von heute aus betrachtet – hätte jene Ballonaffäre 5 UNTERSTÜTZEN müssen (schließlich war es eines der ersten GULAGbücher, das damals dort hinübergepustet wurde) – und der selbst nach soviel Jahren auch einem Freund wie Grass erst ins Gedächtnis rufen mußte, daß es nicht so sehr dieser Abwurf von Büchern über der DDR war, wogegen ich mich wehrte und wogegen ich protestierte – sondern die Tatsache, daß in dieses Buch zumindest eine Aufforderung zur Geheimdienstmitarbeit eingedruckt war, eine Art Agentenwerbung. Wir wissen so wenig voneinander: Grass, der Ledig nicht mag, war dann doch leicht erstaunt, als ich ihm von dessen Abschiedsbrief an mich (nachdem die Anwälte gesprochen hatten) erzählte und von dem beigefügten kleinen Tom-Wesselmann-Bild (das einzige Bild, das ich je mit Ledig zusammen – für seine Sammlung – gekauft hatte) mit den Worten: «Möge dies kleine Format dem entsprechen, mit dem Sie mich in Ihrem Herzen bewahren» (oder so ähnlich).
    Schöner Abschluß des Abends: Grass las – 1 Stunde – aus seinem neuen Buch, offenbar eine schlank angelegte Liebeserzählung, im Prosa-Genre an KATZ UND MAUS oder TREFFEN IN TELGTE erinnernd: schien mir gelungen, heiter, ironisch, durch das Einführen einer Serenus-Zeitblom-ähnlichen Berichterstatter-Figur kluge und Distanzen zum erzählten Stoff schaffende Balance. Würde mich SEHR freuen, wenn ihm dies gelänge.
    Interessant, wie wieder und noch Danzig ihn «nährt». DAS kann er erzählen – und wenn er sich entfernt (schon im Ende der BLECHTROMMEL wird er blaß oder journalistisch-polemisch).
    24. Mai
    Aufbruch zur nächsten Unlust-Reise; nach New York (wegen Uwe-Johnson-Reportage).
    6. Juni
    Mein Lebenszickzack wird immer wirrer. Eben am Telefon der arme Peter Wapnewski: Bypass-Operation. Gestern abend Botho Strauß’ SCHLUSS-Chor: ein Omelett aus dem winzigsten Kiebitz-Ei der Welt, mit gigantischen Quirlen aufgedonnert; Zentrum eine nette Kabarett-Scene, nicht mehr. Sonst mythologischer Mumpitz – DAS lieben die Deutschen. Dafür wiederum wird von Bertelsmann der Schwätzer Bazon Brock engagiert, um – vorgestern abend – die «Festrede» beim Kischpreis zu halten: keine Haare, aber Löckchen. «Tout Hambourg» war da, großer Cocktail, alle umarmen mich – – – aber um eine Arbeit bittet mich niemand. Der rosige mächtige Konzernchef, feist und töricht, ließ fast seine Partyhäppchen vor Entsetzen fallen, als ich ihm «Vorschläge» machte, so wieselte dies falsche Hamburg umeinander – aalglatt – pausbacken – schiefmäuligherzlich; ich, der knochentrockene Monk (zu dem ich inzwischen geradezu pampig, wenn das obligate «Wir müssen uns sehen» kommt, sage: SIE sind dran) … Inscenieren müßte man können, um dieses ganze Journalistengesocks kennzeichnen zu können. Dabei das neue Gruner-und-Jahr-Haus ein Alptraum an nützlicher Häßlichkeit – Jahrhunderte weit weg von der kapitalistischen Grandeur etwa des Empire State Buildings oder des Rockefeller Center, SOGAR des verschmockten Trump Tower; dies ist nicht mal mehr verschmockt, nicht mal mehr Schmalz, nur noch Margarine.
    Morgen früh ab nach Mecklenburg, auf den Spuren von Uwe Johnson.
    Hotel Neptun, Warnemünde, den 9. Juni
    Eben noch über New Yorks Glitzerlichtern im «Rainbow-Room», nun in dem brennenden Meer der Rapsfelder

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