Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
…), Genet usw. eingeblendet werden.
Noch immer wuselt in mir das Unverständnis über den ZEITverkauf – von dem Felix Schmidt übrigens, der ja AUCH – wie alle, die nicht bei Bertelsmann sind … – bei Holtzbrinck arbeitet – zu berichten wußte, daß der EINZIGE in der ZEITstiftung, der gegen den Verkauf, gar heftig opponierte – – – ausgerechnet Herr Mohn war. Den besten Kommentar hat der immer intelligente Schirrmacher in der FAZ geschrieben – der darauf einging, wieso da ein Stück Bundesrepublik den Bach runtergeht, UND der versucht zu definieren, was dieses ganz eigene ZEIT-«Parfum» war. Nächst-intelligent Benjamin Henrichs mit der Anmerkung, daß es ja auch etwas Genantes, Schmähliches habe, wenn «ein 50jähriger feststellen muß, er kann sich nicht selber ernähren», und muß Papa um die Miete bitten.
3. Mai
Ein «Gründgens-Abend» liegt hinter mir. Zu Gast waren Günter Gaus (und Frau), der Sohn des alten Exil-Verlegers Fritz Landshoff samt Antje, deren Schwiegervater er ist (da sie dessen Sohn, also den Enkel des eigentlichen Verlegers, einst geheiratet hat). Kurz zuvor, am späten Nachmittag, rief jemand von der ASPEKTE-Redaktion an, ob ich «3,20 zu Kesten machen» könne; das ist heutzutage der Stil, mit dem man einem den Tod eines Schriftstellers mitteilt. Gräßlich, diese Kulturverkommenheit – die ja nicht IMMER so komische Formen hat wie der Felix-Schmidt-Abend (von dem übrigens heute ein Honorarvorschlag kam, der auf wiederum andere Weise die «Verkommenheit» der Medienwelt zeigt: nämlich so hoch, daß ich es erst nicht glaubte – für EINEN Tag Arbeit bieten die das Doppelte von dem, was ich für den gesamten neuen Essay-Band an Buchhonorar erhalte!).
Gründgens also wegen Kesten, so sonderbar sich das anhört: Ich begrüßte meinen Gast Landshoff: «Wir wollen ein Glas auf den alten Kesten leeren – er war ein zänkischer Freund, übrigens gemeinsam mit dem auch gerade gestorbenen Wolfgang Koeppen mein PEN-Club-Bürge – und schließlich Autor und Lektor Ihres Vaters» – was, wie ich mich korrigieren lassen mußte, nicht stimmte, denn Kesten war «bei der Konkurrenz» Allert de Lange, war auch nicht, wie es die hartnäckige Fama will, «Entdecker» von Anna Seghers, da die – im 8. Monat hochschwanger – unter Pseudonym ihr Manuskript DER FISCHER VON ST. BARBARA an Fritz Landshoff geschickt hatte. So kamen wir über die Irrtümer und Legenden auf die Legende Klaus Mann, engster Freund (und m. E. mehr als das) von Fritz Landshoff, der aber seinerseits wiederum mit Gründgens befreundet war und blieb; sein Sohn – mein Gast – wohnte nach dem Krieg als junger Mann bei Gründgens (??!!) und erzählte nun nicht nur die schauerlichsten Geschichten von diesem in Wahrheit immer einsamen Mann, der schon morgens zitterte, wenn er abends Auftritt hatte, und dem Ruhm und Ruf, eisig zu sein, verboten, hinterher noch in der Kantine mit den Kollegen «einen zu trinken» – wie von Klaus Mann, der 1947 «heimlich» in Gründgens-Aufführungen in Berlin ging (müßte mal prüfen, ob das in Klaus Manns Tagebüchern steht) …
Da nun Gaus vor vielen Jahren einen seiner besten und inzwischen geradezu berühmten TVfilme mit Gründgens gemacht hatte, war der quasi der «steinerne Gast» des Abends – und wurde nur allmählich durch die mit steigendem Bordeaux-Konsum noch immer steigende Eitelkeit von Gaus vertrieben, der nicht und nicht loskommt von den 2 Sätzen «Als ich SPIEGELchefredakteur war» und «Als ich im diplomatischen Dienst war».
Die Pointe des Abends: DIE ZEIT wurde zwar verkauft – sie, die Zeitung bekommt aber das Geld gar nicht – sondern auch diese mickrigen Millionen kriegt wieder die Stiftung; die der ZEIT null Pfennig davon abgeben darf. Dieses Scenario hat nicht Marx, sondern Freud geschrieben, das hat nix mit Ökonomie zu tun, alles mit Psyche.
1. Juni
Heine-Buch angefangen; brav, tapfer und pünktlich – auf diesem extra gekauften Papier, auf dem es sich «so schön schreibt».
Wird’s «so schön»?
18. Juni
Lettau tot: wieder einer weniger. Wenn meine Informationen stimmen, ist er buchstäblich STURZbetrunken bei der Feier des 90. Geburtstages seiner Mutter die Treppe runtergefallen, lag seitdem bewußtlos in der Intensivstation und ist vorgestern nacht gestorben. Die offizielle Version ist «Lungenentzündung» – derentwegen man ja eigentlich nicht Treppen herunterfällt; oder Herzinfarkt VOR dem Sturz. Wie immer; wieder ein Strich im
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