Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
Vom Netzwerk:
Nobelpreisträger aus Peru oder Gitarrist aus Argentinien, wurde geraten. Es war aber ein Schuh-Designer! Dem zu Ehren übrigens der Hamburger Bürgermeister ein Frühstück im Rathaus gegeben hatte (vermutlich macht er eine Leiser-Fabrik auf).
    Die Dialoge spielen sich dann so ab: «Ich verehre Sie so, habe Sie immer verehrt», sagt jemand zu einer verblühten Schönheit. Als ich mich erkundigte, stellte sich heraus: Nadja Tiller. Nicht die Garbo! Man verehrt eine 18.klassige Kleindarstellerin – nicht zuletzt, weil die 17.klassige namens Nicole Heesters nicht da war. Dieses Mal allerdings gab es erstklassiges Essen – was wiederum pointenreich war: Gisela Augstein kam gerade atemlos in den «Salon», berichtend, daß auf der Eingangstreppe (sehr schön, zugegebenermaßen) mehrere Leute gesagt haben: «Was, der Raddatz ist hier, das traut der sich, nach allem, was er über dieses Haus geschrieben hat?»
    Tatsächlich hatten einige Leute bereits die Fahnen von meinem neuen Roman gelesen – und die «Essen-auf-Rädern»-Scene nicht ganz unrichtig übersetzt als Schilderung dieses Hauses. Truman Capote in der Provinz –.
    Mich noch immer verblüffend, recte: abstoßend: dieser merry-go-round , mit dem die diversen Ex-Damen sich statt auf Karussell-Pferde auf Augsteins Besitzungen schwingen. «Ich war diesmal nur 4 Wochen in Saint-Tropez» (wo er einen großen Besitz, neben der Bardot, den er dazukaufen will, hat); denn «Maria kam ja dann». Ist es denn den Frauen nicht unangenehm (die alle schwer reich abgefunden, also in der Lage sind, sich ein gutes Hotel zu leisten), in das Bett zu schlüpfen, in dem eben noch die – ehemalige – Rivalin schlief und, wer weiß, der ehemalige Ehemann mit …? Wie altmodisch-nobel dagegen jenes «Ich gehe», schweigend, stolz, endgültig (und nie einen Pfennig nehmend) der Mary, als sie Tucholsky verließ. Und was geht in IHM, dem Herrn der Häuser, vor, in die sich nun die Ex-Frauen drängeln? Er KANN ja nichts anderes als ein Zyniker (geworden?, schon immer gewesen?) sein – eben KEIN Satiriker, der die Welt anders haben will und daran leidet, DASS er sie nicht ändern kann, und DAS singt: von Heine bis Tucholsky. DAS ist der große Unterschied – deswegen haben DIE ein Werk – – – und der hat ne Illustrierte.
    Die Morgenpost berichtete, ich sei bis 5 Uhr morgens geblieben – ich war um 22 Uhr gegangen.
    1. Oktober
    Postskriptum. Das Sonderbarste zum Thema «Empfindlichkeit». Heute werde ich bei meinem Heilpraktiker mit der Nachricht empfangen, mein Sekretariat habe angerufen. Rückruf. Keine Antwort. Auf die Behandlungsbank. Durch den Kopf – weil Frau Schulze dort nur in SEHR dringenden Fällen anruft – rasen Gedanken vom Tod von Grass, Unfall des ZEITchefredakteurs, Verkauf der ZEIT, SPIEGELverriß des Romans. Meine Vene schließt sich – die Infusion muß abgebrochen werden. Nun erreiche ich Frau Schulze. Es geht um eine Hotelreservierung. Die Infusion kann neu begonnen werden. Die Vene ist normal.
    Hotel Dorint, Frankfurt, den 3. Oktober
    Zweiter Messetag und schon einer zuviel. Nicht nur das Geplapper: «Sie auch hier» und «Wir müssen uns mal sehen» (während man sich sieht) zerquirlt einem den Kopf, auch der letztlich uninteressante Klatsch, daß Herr K. nun zum «Tagesspiegel», Herr S. zur «Berliner Zeitung» geht, was wohl mit der neuen ZEITfeuilleton-Dame Löffler wird, zermürbt mich. Nur selten lustig und meist peinlich: lustig, daß der FAZ-Herausgeber Schirrmacher mir «unbedingt ein wichtiges Angebot» machen will, peinlich, wenn der Neu-Berliner Verleger Conradi mir sagt: «Alle singen überall Ihr Lied, es war das beste Feuilleton der ZEIT, erst gestern sagte mir X.: ‹Die Löffler schafft das nicht, dazu braucht es eine überragende Persönlichkeit (!) wie FJR›», und, als ich lachend sagte: «Ach, ich kenne inzwischen diese Nachrufe – wenn ich wirklich tot bin, wird man so auch über meine Romane reden», antwortete er kühl-wegwerfend: «Das ganz gewiß nicht.»
    Doitscher Charme.
    13. Oktober
    Das Absurdeste auf der Frankfurter Messe war wohl jene Lesung im RÖMER, die als wichtig gilt, vor allem, wenn man in DEM Teil dabei ist, der anschließend im TV gesendet wird. Ich WAR dabei, nämlich Nummer 2 – wurde aber «angenommen» von einer Dame Marx, die eigentlich nur Negatives oder Törichtes («Wann schreiben Sie endlich mal den saftigen Schwulenroman») zu sagen wußte. Als sie gar «entdeckte», mein Roman folge doch der

Weitere Kostenlose Bücher