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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Der «armen Christa Wolf» darf man ihre Stasi-Kungeleien, dem «lieben Heiner Müller» sein Pups-Sofa, auf dem er gemütlich mit der STASI saß, nicht vorhalten, nicht mal, daß er eben DAS entsprechende Kapitel aus seinen Memoiren herausstrich – aber Höfer darf man abschießen. In Ordnung ist das nicht.

    Mehr und mehr reibe ich mich (wund) an diesen Verabredungen, an dem jeweils zähen Label, das, einmal aufgepappt, hält. So ist’s ja auch in ästhetischen Fragen. Am Wochenende – weil ich es halt wissen will – doch in Elfriede Jelineks STECKEN STAB UND STANGL gegangen – ein (allerdings von herrlichen Schauspielerinnen köstlich dargebotener) Furz, ein Abiturienten-Witz, was die Machart betrifft, mit beflissen ineinandergerührten Heidegger-Celan- oder Pressezitaten (die niemand, der es nicht weiß, erkennt; kein Mensch begreift, was der Satz «1800 in der Stunde» bedeuten soll, wenn man nicht WEISS, daß das der Satz eines KZaufsehers ist: So viele jagte man pro Stunde durch den Schornstein). Das ist künstlerisch läppisch, moralisch fragwürdig und politisch bestenfalls Journalismus – – – – alles, was man Hochhuth hohntriefend ankreiden würde und was hier als avantgardistisch, neu und mutig bejubelt wird. Ein Sprach«spiel» aus «Die Informierten – die Uninformierten» würde man nicht mir, nicht Hochhuth – eigentlich niemandem durchgehen lassen. Hier ist es «toll». Eine Mischung aus läppisch und infam, was uns da eine subventionierte Bühne anbietet. Vom Applaus umbrandet.
    21. Januar
    Soeben – 17 Uhr 40 – ist mein Harry gestorben. Fühle mich ungebührlich, wie ein «Verräter» und traurig: Ich habe ihn geliebt, bin so tief in ihn eingetaucht, er wird mir fehlen, und ein seltsames Schuldgefühl beschleicht mich, als sei es zum Schluß zu rasch gegangen.
    Spät am Abend
    Traurigkeit – Balzac hat über den Tod seiner Figuren geweint; aber Harry war ja gar nicht «meine», eine von mir erfundene, Figur; oder doch? – und dies seltsame Schuldgefühl. Habe mir zum Abendessen die Lederer-Heine-Skulptur auf den Tisch gestellt, Kerzen drum herum, habe ihn gestreichelt, mit ihm gesprochen, auch kleine lustige «Verabredungen» getroffen à la «Ich war gut zu dir, sei du auch ein wenig gut zu mir». Was für ein sentimentaler Hund ich bin. Peinlich. Aragon-Ferré und Ferrat-Platten, sehr unlogisch; oder doch nicht: französische Melodiösität.
    Leere.
    27. Januar
    Meine Träume immer bedrohlicher, und zwar BEIDE Kategorien: die gänzlich, bis ins farbigste Detail, bis in den genauesten Dialog ERFUNDENEN wie die «auf den Spuren» existierender respektive existiert habender Personen: kürzlich Marlene, ganz genau, bis in die Stimmfärbung hinein, im selben braunen Hut und kleinem Kostüm, in dem ich sie damals kennenlernte und mit ihr bei Lembke aß. Nur: Was geht mich Marlene Dietrich an, wieso regiert sie einen Traum? Ob es die – tatsächlich amüsante – Zarah-Leander-Platte war, die Gerd mir geschenkt und die durchaus klarmacht, daß sie die Nazi-Ersatz-Marlene war; übrigens seltsam verrucht und mondän, auch frivol, gelegentlich «Ich bin doch zu schade für einen alleine» paraphrasierend, keineswegs «Die deutsche Frau schminkt sich nicht» oder die blonde Dutt-Trägerin, die auf Männer an der Front wartet.
    Oder Ledig – ein dramaturgisch haargenau «ausgeführter» Traum. Doch Ledig ist doch lange aus meinem Leben verschwunden? Kann es sein, weil er damals – «Hier ist Rowohlt, ein junger Mitarbeiter von mir möchte so gerne …» – die Verbindung mit Marlene herstellte, der natürlich der Name Rowohlt geläufig war und die deswegen im ATLANTIC den Anruf entgegennahm?
    Die 2. Kategorie sind die «erfundenen», romanhaften Träume; so farbig, so spannend oder zermürbend, wie mir kein Roman gelingen wird: eine Flugzeugentführung über Cuba; eine – politische? – Verfolgungsjagd in der Karibik mit Yachten, Schnellbooten, Ertrinkenden: Klein-007 spukt in meinem Kopf herum.
    28. Januar
    Thema «Terror der Intimität»:
    In Bochum, kurz vor meiner kleinen Adami-Rede, tauchte auf eine Art Pazifismus-Theologe, den ich vor ca. 30 Jahren für Rowohlt entdeckt, in der «wilden Zeit» verlegt und seitdem gänzlich aus den Augen verloren hatte. Der drängte sich mit seiner Zweit-Frau auf, wollte unbedingt zum Abendessen einladen (ihm ganz unbekannte Leute), ließ sich nur schwer abwimmeln, daß der Künstler ja schließlich … und daß auch ich immerhin … gut. Dann

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