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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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reportierte: «Ich werde mit Wollust deine Witwe sein.» Mit der Wollust, die die beiden nicht mehr einte …
    Die Tiefenwirkung der Intim-Details: ein SEHR detaillierter Traum von einer affektiv aufgeladenen Affäre mit (dem ja leider bereits toten) Reinhard Lettau. In dem Traum war’s für ihn wie das Ausprobieren von nem «anderen Joint», nur mal sehen, wie das ist – – – und wurde dann mehr, wurde jenes «Mein Gott, ist das intensiv, ich habe Sexualität noch nie so schön, noch nie so vollkommen ergreifend erlebt wie bei diesen Malen mit dir» – ich schreibe deshalb «jenes», weil ja in der REALITÄT, nicht im Traum, ich diesen Satz so oft erfahren, gehört habe; eben von all den angeblich «normalen», jedenfalls verheirateten Männern, mit denen ich «Affären» hatte; bizarrerweise gehörte dazu ja auch Lettau irgendwann in grauer Vorzeit in New York, aber halt auch J. B. (der mir in einer assiette-à-trois seine Frau bot wie eine reife Frucht und beim Orgasmus zu dritt rief: «Ach, Docteur, ich habe so viel von Ihnen gelernt» – ich glaube, er meinte, daß Socken-Tragen ordinär ist); oder von X, der hinterher geradezu erschrocken sagte: «Der Jude mit dem Deutschen, das wäre eigentlich ne richtige Kurzgeschichte – und Rassenschande ist es doppelt»; er war auch noch nach dem Ficken witzig, oder Y, der sich selber beobachtete – «Das funktioniert ja wirklich!» –, wie sein eigener Zoo-Besucher, der hinterher ganz zart/zärtlich wurde und sagte: «Es war ungewöhnlich und sehr, sehr schön», oder M. I. – – – sie alle wollten von meiner Energie tanken, wollten meine Elektrizität auf ihre schwach gewordenen Volt-Spannungen umleiten und wollten einerseits irgendetwas «Fremdes» ausprobieren, von dem sie – angeblich – bis dato nur gehört hatten, wollten aber auch «das Besondere» erfahren, indem sie meinten, daß ich darin lebte wie ein Fisch, der in einem anders gefärbten Wasser schwimmt. Und fast ausnahmslos – wie nun letzte Nacht in dem hochsensibilisierten hocherotischen Traum – kam eben jenes: «Es war so schön wie noch nie.» Die Armen – sie kannten wohl nur reinstecken und rausziehen, bißchen stöhnen und dann duschen, offenbar hatten sie Phantasie auf dem Papier, FÜR das Papier reserviert, aber nicht die Fingerspitzen, die Fünkchen auf der Haut. Spiel der Worte – das ja. Spiel der Körper – das nein.
    13. Mai
    Am Sonntag Antje (Landshoff-Ellermann) zu Gast, lieb.
    Glaube, daß sie ein Freund ist – nur hat sie 1. keine Zeit, befreundet zu sein (da ja Freundschaft wie ein Muskel ist – benutzt man ihn/sie nicht, dann atrophiert sie), und 2. hat sie ZU VIELE «Freunde».
    Das neue «soziale» (??) Phänomen: Per Fax oder per Handy ist man lieb, fast zärtlich – sie sagte nexten Tags: «Es war ein epischer Abend» (weiß nicht, was sie unter «episch» versteht), es war aber lieb gemeint.
    17. Mai
    Vor paar Tagen der «Revisor» aus Marbach hier, der sympathischskurrile Meyer, der sage und schreibe 5 Stunden hier unten in der Bibliothek «angeschnallt» saß und Manuskripte, Korrespondenz und Tagebücher prüfte; schon eigenartiger Vorgang, dieses Überprüfen des «Nachlasses», während man oben sitzt und Fontane liest.
    Das Abendessen mit ihm dann lustig, weil der Mann ja einen eigenartigen Totenvogel-Beruf hat: Er schwebt von Greis zu Greisin, um in den Schubläden zu stöbern und Verschollenes oder zu Bewahrendes zu erschnüffeln: bei Günter Kunert, «der sich bislang dagegen gewehrt – aber nun ist er ja auch älter geworden und denkt doch darüber nach»; bei der Witwe von Willy Haas, die mit 92 Jahren rüstig Weltreisen unternimmt und «Präsidentin» eines internationalen Vereins «zum Kampf gegen die Beschneidung von Frauen» ist; bei einer Geliebten von Hermann Kasack, die «unschätzbare» Liebesbriefe hat: «Seine Frau war eine vernünftige Person und hat das Verhältnis akzeptiert.» Auch was er sonst erzählt, sind wahre Literatur-Schnurren: Der Ernst-Jünger-Nachlaß kam in BRAUNEN Kartons, was dem Archiv wegen der Symbolik unangenehm war. So hat man alles umkartonieren lassen; der – inzwischen uralte – Sohn von der sagenumwobenen Felice (nicht genau wissend, ob er eventuell der Sohn von Kafka ist) hat ALLE Briefe Kafkas AN Felice vor Jahren verkauft, heute ein unermeßlicher Wert – und weiß nicht mehr, an wen – die Briefe sind spurlos verschwunden. Mit dem Angebot – meine Geldgeschäfte gehen im Moment wahrlich schlecht –

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