Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
würde er allerdings auf sich warten lassen, Marbach hat wegen der Überzahlung an den Döblin-Sohn, einen greisen Parfümerie- und Galanteriewarenhersteller in Nizza (????) kein Geld. Ich zahle also Döblin; apart.
Kampen, den 21. Mai
Eine so zarte wie schreckliche Scene vor 2 Tagen. Bei mir der Kunst- und Gewerbe-Museumsdirektor Hornbostel, weil ich mein Testament ändern will/werde: Regelrecht GEERBT soll nur noch von Gerd werden; außer mein Urheberrecht. Ihm vererbe ich aber nicht all meinen Schnokus, mit dem er nix anfangen kann und der schwer zu verkaufen. Also: ein FJR-Raum in jenem Museum, ein Ensemble aus all diesen Gallé-Majorelle-Lalique-Tiffany-Sabino-Walther-Nancy-Schneider-Nancy- und Muller-Frère-Objekten, die ich so im Lauf der Jahre zusammengekarrt habe; wenn’s geht, dazu ein paar «Interdependenzen» – der Schreiber FJR und die Künstler: Wunderlichs Marx-Bronze-Pistole («Kunst als Waffe»): zu meinem Marx-Buch gemacht, Hrdlickas Marmor und mein Essay über ihn, Guttuso-Interview und mir von Guttuso gewidmete Bilder, Janssen-Zeichnungen zu einem Buch von mir, Hundertwassers Konrad-Bayer-Porträt (weil ich den entdeckt/verlegt habe usw.) – der Museumsmann war entzückt.
Beim Gehen erklärte er mir, daß er ja eigentlich nicht Kunsthistoriker, sondern Archäologe sei – – – und sah meine (neuerdings im Flur aufgebauten) entsprechenden Objekte, die er alle – persisch, minoisch, griechisch oder so – sofort erkannte, datieren konnte. Ich sagte: «Einiges habe ich von einem befreundeten Archäologen, der leider sehr früh verstarb.» Ohne eine Minute zu zögern, sagte er: «Etwa Bernd Kaiser aus Bonn, der in Persien verunglückte?» Es war wie ein Schock, nach wohl 22 Jahren erinnert sich da jemand noch an Bernd, meine große Liebe. Der Mann – «Aber das war doch das junge Genie des archäologischen Nachwuchses» – hat angeblich noch die Nachrufe in seinen Akten.
Schlief schlecht. Ich habe doch auch viel Unglück im Leben gehabt. Wie wäre es, er lebte noch?
Kampen, den 26. Mai
Verschreckter Beginn der Fontane-Arbeit. Zum einen über seinen doch ziemlich üblen Konservatismus (der, nur ein Winz-Beispiel, ihn natürlich nicht im Traume daran denken ließ, Marx oder Engels in England zu besuchen), über sein charakterloses Sich-Arrangieren mit den Herrschenden, seinen Dienst bei Zensurbehörde oder stockkonservativer KREUZZEITUNG, pecuniae causa , also «gekauft». Noch mehr entsetzt über den ziemlich scheußlich-aggressiven Antisemitismus; das habe ich vorher so deutlich nicht gewußt.
Völlig verschreckt aber über die epische Armseligkeit, die erzählerische Mickrigkeit. Die «Idee» oft gut – die falsche Ehre der preußischen Armee in SCHACH VON WUTHENOW –, doch auch das oft in Tiraden oder gar künstlich einmontierten Briefen. Aber das ERZÄHLERISCHE, das LITERARISCHE! Genau das, worauf er doch so stolz war: Das scheppert so dahin zwischen «erwiderte der Prinz», «nahm der Prinz das Wort», «alles lachte», «lachte Sander», «Alvensleben bestätigte», «der Prinz schwieg» und «beide verneigten sich». Eine Klapper-Dramaturgie sondersgleichen, die sich zwischen «Nostiz und Sander lächelten und nickten» und einem (auch noch ständig wiederholten) «es übergoß sie mit Blut» hin- und herbanalisiert. Die Fontaneschen Bonmots – «Er ist nichts weniger als beliebt. Wer den Aparten spielt, ist es nie» oder «Weil der Staat Friedrichs des Großen nicht ein Land mit einer Armee, sondern eine Armee mit einem Land ist» – sind von Hochhuthscher Eindrücklichkeit, aber LITERATUR ist das nicht.
Kampen, den 31. Mai
Langes «typisches» Hochhuth-Telefonat: In irgendeinem Nebensatz fiel der Name Remarque, woraufhin er ohne Punkt und Komma hervorsprudelte, daß der ja mit den eigenen Degas-Bildern im GEORGE V in Paris gewohnt habe, unter Marlenes Nebenaffären gelitten, sie aber auch geliebt habe; daß er, Hochhuth, an Willy Brandt seinerzeit geschrieben habe, man möge nicht vergessen, Remarque zum soundsovielten Geburtstage zu gratulieren, was geschehen sei, woraufhin Remarque ihm, Hochhuth, einen Dankesbrief geschrieben habe mit der Formulierung, ihm, Hochhuth, gehe es ja genauso wie ihm, Remarque: Der erste Wurf sei so ein Welterfolg, was danach komme, würde daran gemessen und käme nie mehr in die Nähe.
Kampen, den 3. Juni
Nachträgliches, was in diesem Fall auch heißt: Abträgliches zur Fontane-Lektüre.
Ich habe, scheint mir, herausgefunden, WAS mir
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