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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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anderen nicht; wie «Freundinnen» eben so sind – wieso hat DIE den und ICH nicht. Also kamen Anrufe und Depeschen mit Rendez-Vous-Vorschlägen, besonders hartnäckig-raffig von einer prominenten Politikergattin, die ganz unverblümt sagte: «Von … bis … ist mein Mann nicht da, ich wohne in Zimmer … im Vier Jahreszeiten.»
    Kampen, den 30. Dezember
    Als sei man schon tot.
    Drückend die «Produktions-Pause». Das Benn-Manuskript wird getippt, derweil kann ich nicht dran arbeiten – und kann, ALTER!, aber auch nicht mehr leisten, eine gänzlich andere Arbeit – etwa die Vorbereitung aufs Updike-Interview – dazwischenzuschieben. Also liege ich auf dem Sofa und lese – – – Rilke. Was ich Kersten, der ja gebildet und voller Ideen, zu verdanken habe; er meint, ich «müsse» eine Rilke-Biographie schreiben. Dessen manchmal fast Tucholsky-scharfe politische Interventionen – «Ich hasse Kaiser Wilhelm» – mich tatsächlich interessieren, nicht der Cornett, mehr das Stundenbuch. On verra .
    Schauerliches von der Schwester aus Bangkok. Da wiederum ist’s undankbar, dem Jahr nicht wenigstens anzurechnen: Man ist noch einmal davongekommen, alle «Ergebnisse» OK bei den diversen Ärzten. Also un-tot.

2001
    Nizza, den 9. Januar
    «Die Jahre mit Dir überstrahlen alles», schreibt mir Roland Links, mein Nachfolger bei «Volk und Welt», nach meiner Flucht (die VOLK & WELT-Jahre meinend). «Ihnen habe ich die schönsten Jahre meines Lebens zu verdanken» – so widmete mir kürzlich Rolf Michaelis ein Buch (die ZEIT-Zeit meinend). «Mit Fritz – das waren die besten Jahre meines Verleger-Lebens» – so (oder ähnlich) begann Ledig seine kleine Rede zu meinem 60. in Frankfurt – die Rowohlt-Jahre meinend. Sie werden HINTERHER, wenn ich tot bin, also bald, feststellen: «Der war doch gar nicht so schlecht als Schriftsteller», der war doch … dies und das und jenes; wie ich ja jetzt bereits in den beiden ZEIT-Büchern von Janssen respektive Dahrendorf als ein «der war doch damals …» rangiere. Doch WÄHREND ich tat, was ich tat: Bringt ihn um, schmeißt ihn raus, verhaftet ihn. So erscheint jetzt ein Buch über den verlogenen Erich Kästner, nachweisend, was ich seinerzeit sagte, daß er feige und listig die ganzen Jahre der Nazizeit fleißig produziert hat (Filme, gar Erfolgsstücke unter Pseudonym): Was war’s für ein Geschrei, als ich jenes ZEIT-Dossier schrieb; «mein Freund Kästner», so Leo, war beschimpft worden; und «mein Freund Eich», so Hans Werner Richter – indes auch über dessen höchst anrüchige Arbeit während der Nazizeit inzwischen ein ganzes Buch erschienen ist. Dieser Tage eine Art Lexikon über jene, die «unter der Diktatur schwiegen» – – – indem sie fleißig schrieben, natürlich alles «im Widerstand». Letztlich ein ekelhaftes Land. Nur, da bremst man sich: Welches ist denn anders? Diese ziemlich lächerliche Frankophobie (die ich z. T. auch habe) wird ja aufs «trefflichste» durchlöchert, Tag für Tag – – – durch die Nachrichten von Korruption bis in die höchsten politischen Etagen, Verhaftung von Mitterrands Sohn, Geheimdienstkomplotte bis hin zum Mord, Cäsarenwahn und republikanischen Royalismus: Dagegen sind ja des schmutzigen kleinen Kohl Unterschleife die – eben – eines Sparkassendirektors, der mit der Portokasse durchbrannte.
    21. Januar
    Unendliche Fortsetzung(-smöglichkeit) meines «Männerängste»-Buches: Kaum habe ich all das noch einmal dargestellt/variiert/interpretiert am Beispiel Gottfried Benns, dieses nahezu Gebet-hafte/Gebot-hafte «Laß mich allein» – da «tritt es an mich heran» (wie er das ausdrücken würde) bei Rilke. Ein permanenter Schrei. «Das Liebeserlebnis … unfähige Nebenform der schöpferischen Erfahrung – … unerlaubt», der Ruf, «um dich so zu lieben, wie du’s erwartest, müßte ich mich aufgeben – aber dann hättest du ja nicht mich, sondern eben einen, der sich aufgegeben hat»: dies als Brief! an die Klossowska, Mutter von Balthus und jenem leicht verkommenen Pierre Klossowski, den ich für Rowohlt «entdeckte», ihn verlegte, ein – auch – surrealer Angeber, der darauf bestand, Rilkes Sohn zu sein (Rilke lernte aber die Mutter erst kennen, als beide Knaben schon «da» waren). Lauter Kreiselbewegungen (auch, wenn Benn über Rilke sagt: «Nicht ganz schlecht für einen Tschechen»). Jedenfalls wäre Rilkes «Die Arbeit ist so unendlich viel mehr als die Liebe … sie ist alle Liebe» ein weiteres

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