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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Kapitel jenes Buches von mir, das gar nicht verstanden wurde im «Haha, Angst vor Frauen, ich habe aber nun gar keine Angst vor Frauen»-Geplapper erigierter Journalisten, die meinen, wenn/daß sie einen hochkriegen, darauf eine passende Antwort zu haben. Im Kopf kriegen die nix hoch.
    Selbst die Säkular-Form von Liebe, die Freundschaft, unterliegt diesem Gesetz. Der Künstler ist unfähig zur Freundschaft, er braucht auch diese Potenz für sich, sein Werk. In meinen einsamen Nizza-Abenden noch mal – diesmal per CD gehört, nicht gelesen – den Briefwechsel Flaubert/Turgenjew genossen, diesen Tanz der Bienenköniginnen: «Ich liebe Sie» – «Ich brenne auf Sie» – «Aber Donnerstag, ja Donnerstag kann ich leider gar nicht» – «Wie wäre es Dienstag. Ja, bitte kommen Sie Dienstag» – «Ich bin untröstlich, ich konnte Dienstag das Haus nicht verlassen».
    Ähnlich der Briefwechsel im tanzfächercircenhaften Ton Rilke/Stefan Zweig: «Aber Dienstag ging es leider gar nicht»; die tiefste Anteilnahme und das «glückhafte Wahrnehmen» an der Arbeit des Anderen – aber das Exemplar von Zweigs «Jeremias», Rilke zugeeignet, fand sich in dessen Nachlaß aufgeschnitten bis Seite 17 …
    Erinnert an Thomas Manns Gemeinheit über den «Freund» Feuchtwanger: «Alles ist so erlesen bei ihm, er schreibt auf dem kostbarsten Papier mit eigens für ihn gefertigten Federn im luxuriösen Haus, und was dabei herauskommt, ist – Scheiße.»
    Wäre ein schöner Essay. Wenn noch jemand Essays von mir wollte.
    24. Januar
    Zunehmende Enttäuschung – wenn ich’s nicht gar Entsetzen nennen will – über die mickrig-klapprige Roman-Dramaturgie bei/von Balzac; die beobachteten Details – «Madeleine warf dem Staatsanwalt einen Blick zu … erwiderte die Herzogin lächelnd» – sorglos (was für einen Blick denn?!), die Handlung durch Ärgerlichkeiten – «sie sank in einen Sessel» – in Bewegung gehalten, die epische Motorik durch ständige Erläuterungen – «Es ist nicht uninteressant, hier darauf hinzuweisen» – eines deus ex machina- Autors durchbrochen: Die gesamte Prosa ist aus Applikationen zusammengebastelt («Gehen Sie zum Herzog und lassen Sie meine Karte hineinreichen») wie psychologisch unmotiviert. Es ist eine Sittenbild-Apparatur, in der die einzelnen Menschen Figuren sind, keine Gestalten – also «Dallas» oder «Denver» avant la lettre .
    Winziges Glossarium aus «Geheimnisse der Fürstin von Cadignan»: «‹Nie›, unterbrach die Fürstin die Marquise und legte ihr die Hand auf den Arm». 10 Zeilen später antwortete Madame d’Espard «mit koketter Anmut und vollführte eine reizende Geste». 30 Zeilen später: «fuhr die Marquise nach einer Weile nachdenklichen Rücksinnens fort». 5 Zeilen später: «fügte die Fürstin mit einem feinen Lächeln hinzu.» So geht es unendlich weiter in einem Meer der Banalität, «sagte die Fürstin mit melancholischer Miene», «die so berühmte Blässe der Fürstin hatte eine gereifte Tönung angenommen», «antwortete Daniel mit bewegter Stimme», «blickte die Fürstin erschüttert an», «rief sie mit der Miene verzückter Seligkeit», «… wandte sie d’Arthez in einer Bewegung voll keuscher Verwirrung ihr sanftes, edles Antlitz zu» – alles in Zeilen-Abstand. Nun mag «Rücksinnen» oder «gereifte Tönung» der miserablen Übersetzung zu «verdanken» sein, aber der Kitsch «Wie der Heiland über die Wogen des Sees von Tiberias, schien diese Frau auf den Fluten der Verleumdung einherzuschreiten» ist ebenso gewiß dem Autor zu «danken». Er kann überhaupt keine Menschen schildern, beschildert sie lediglich: «den sie mit einem jener Blicke begleitete, die eine blonde Frau brünett erscheinen lassen …» – was das wohl für Blicke sein mögen.
    Was ich bisher (wieder-)gelesen habe, sind Illustrierten-Romane, auch im Tempo der flüchtig galoppierenden äußeren Spannung.
    4. Februar
    Fortsetzungsroman «Verkommenheit des Kulturbetriebs»: ZEIT-Abschieds-«Fest» (na ja, «Fest»-Häppchen mit Billigwein) für Dieter Buhl, den ich mag/mochte, weswegen ich hinging. Zuvor an der roten Ampel die Dönhoff: «Ach, 50 Jahre bin ich so gerne in die Redaktion gegangen – jetzt nicht mehr.» Aber sie GEHT hin, statt den Krempel hinzuwerfen. Dort, am Buffet, das kein Buffet war, der neuernannte Chefredakteur/Herausgeber Naumann. Nach dem obligaten «Wie geht’s?» ich: «Ich weiß, Sie haben jetzt viel um die Ohren, da will ich auch nicht stören. Aber

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