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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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gibt – auch das darf mit einem monatlichen Betrag der Herr Reemtsma mit seinen 32 Jahren tun. Unseld zahlte ja damals schon dem armen Uwe Johnson nicht jene Amerika-Reise, zu der ich ihn dann einlud, die seine letzte werden sollte – – – und die mir so wunderbar gelohnt wurde.
    Kam sehr müde nach Hause, bin schon wieder urlaubsreif, eine Flasche Wein ist mir zuviel.
    5. August
    Letzten Mittwoch Aufnahme mit Hrdlicka in Berlin, Beginn meiner neuen TV-Serie «Dialog». Ging sehr gut, mit ihm ein erotisch-selbstverständliches Verhältnis, Gespräch mühelos und nicht oberflächlich. Fast wie Fortsetzung des Bacon-Disputs.
    Vergangene Woche auch de-profundis -Brief an Mary Tucholsky. Es täte mir SEHR leid, wenn diese jahrzehntelange Freundschaft bräche, aber ich kann umgekehrt nicht für mein «Opfer», da dem Werk eines toten (und mir ja persönlich unbekannten) Autors zu dienen, mich ewig beschimpfen, bemißtrauen, beschnöden lassen im Sinne von «Wieviel wollen Sie?». Dann eben nicht, dann heißt es zum zweiten Mal in ihrem Leben, umgekehrt: «Du hattest den Goldklumpen in der Hand und hast Dich nach den Pfennigen gebückt.»
    Freitag abend Grass und (uneingeladen) Schlöndorff. Sie waren auf der «Durchreise» zwischen 2 Urlauben, und es war mein Willkommensessen; das wird, auch sehr sonderbar, obwohl schließlich ein Junggesellen-Haushalt, als ganz selbstverständlich genommen. Als Gastgeschenk 2 Knoblauchzehen. Üppig.
    Grass schien etwas selbstgenügsam, wobei selbstverständlicherweise happy, daß sein neuer Roman fertig.
    Heute Hochhuth am Telefon. Es ist der Tag, an dem die Eltern seiner 1. Frau enthauptet wurden – und an dem ihm, heute, sein Freund Irving bisher unveröffentlichte Tagebuchnotizen des Henkers von Plötzensee schickte. Was es alles gibt. Aber Hochhuth zieht förmlich Assoziationen auf sich: daß wegen irgendwelcher Eichhörnchen-Motive Fouché nach langem Weigern schließlich eingesperrt wurde, bringt er in Zusammenhang mit der Notiz in Münchens ABENDZEITUNG, ein Junge in Frankreich sei erschossen worden, weil er angeblich ein Eichhörnchen umgebracht habe, und das wiederum mit des SS-Henkers Jeschonnek makabrem Satz: «Der Teufel ist ein Eichhörnchen.»
    Derlei prima vista unsinnige Assoziationen sind Hochhuths grotesker Charme – mit dessen Unerbittlichkeit er aber auch die Motive für seine neue Erzählung MUTTERLIEBE findet; die Mutter eines hochstehenden Fähnrichs hat so lange aus Angst um ihren Sohn mit der Obersten Heeresleitung ge-te-lext, bis das Schlachtschiff «Scharnhorst», an sich bereits gerettet vor den Engländern, durch einen Abstand von 150 Kilometern, dadurch (die Engländer hatten den Code geknackt) eingeholt und versenkt wurde. Mutterliebe. Eines der grotesken und doch historischen Themen Hochhuths.
    13. August
    AIDS.
    Wird durchaus zu Recht als «Geißel Gottes» empfunden – noch nie, auch nicht zu Zeiten der Syphilis, hat man sich ja durch diesen «Akt» den TOD geholt. Eros und Tod in ZU wörtlicher Übersetzung. Es wird – beginnt schon – DIE große Umwälzung sozial-psychologischer Art werden, auch politischer. Die Angst der Schwulen wird ihre Balance in der Angst vor den Schwulen finden – bald wird man in einer Sitzung ängstlich darauf achten, nicht versehentlich aus meinem Glas zu trinken und, wer weiß, wird (m)eine Haushälterin kündigen, aus Angst, sich anzustecken. Meldepflicht, Massenuntersuchungen und eine vollkommen ausgestorbene Subkultur werden die Konsequenzen sein.
    Letzteres finde ich SEHR schade, auch wenn ich sie – vor allem seit Gerd – garnicht mehr und früher eher selten und angewidert frequentiert habe. Es war schön, DASS ES SIE GAB; man geht ja auch nicht ständig auf den Eiffelturm, aber er soll DA sein. Die bunte Vielfalt und Selbstverständlichkeit, mit der man schwul war – das wird bald vorüber sein. Die Angst im Hotel, im Restaurant, im Schlafwagen – überall wird wieder kommen, was ich noch so gut erinnere, als wir, Eckfried und ich, in Schweden über die Feuerleiter des Hotels flüchteten, weil wir unten Hans Werner Richter vorfahren sahen, oder als wir in Taormina panikartig eine Einbahnstraße zurückfuhren, weil unten Erich Kuby einbog.
    So, wie der Antisemitismus NIE weg war und ist, so wie Kuby in seinem Brief an Erika sich angewidert über die «Homosexualität» in KUHAUGE äußerte, so sagt auch gestern Thomas Brasch ganz «unbefangen» am Telefon: «Na, wissen Sie, wenn mir morgen ’n Mädchen

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