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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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auf mich schoß – – – weil ich mich in einem Zitat geirrt hatte. Also Nazi-Hetz-Artikel sind läßliche Sünden, «äußerst komplizierte Probleme», aber ein falsches Goethezitat ist impardonnabel. Da hat man in nuce das ganze Deutschland – wehe, man geht an ihre vermeintliche Bildung, an ihre Gipsköpfe auf dem Buffet. An die Juden durfte man schon eher «gehen», das war dann allenfalls eine «peinliche Angelegenheit»; nicht mal peinigend …
    Ärgere mich, daß ich mich darüber ärgere.
    6. Januar
    Das Jahr schleicht sich mit Schatten an – und ich glaube nicht, daß ich nur Gespenster sehe:
    WOLKENTRINKER – «zuviel Dialekt», was heißt: ungelesen, denn es gibt im ganzen Buch 2 Dialektsätze – in USA abgelehnt.
    Gestern beim Mittagessen mit dem neuen Ressortchef DOSSIER der ZEIT mein Vorschlag eines großen Brecht-Essays, anläßlich des 90. Geburtstages und der 2bändigen Biographie, schlicht abgelehnt: «Das macht mich nicht an.» Sagt ein junger Schnösel, der mir zuvor – Schmeicheleien sind ja billig – erklärt, wie er mich bewundere und wie er mich schon als Student gelesen habe. Wird man zum auslaufenden Ford-T-Modell, das man zwar als Oldtimer bewundert und «himmlisch» findet, aber fahren tut man lieber nen Audi?
    Nächster «Schatten» – die ganze Tucholsky-Stiftung ist wohl durch eine Untat der sterbenden Mary gefährdet: Wie die meisten alten Menschen wollte sie sich zugleich einen Tempel bauen und ihn einreißen. So hatte sie, nobel, die Stiftung gegründet – aber im letzten Moment, unter Einflüsterungen und offenbar nicht mehr «dicht», einer fremden Frau eine halbe Million Mark vermacht und ihr Haus am Tegernsee; nicht der Stiftung.
    7. Januar
    Vormittägliche Fernsehaufnahme, «Streitgespräch» über meinen Roman «Der Wolkentrinker» mit einem dünnblütigen wie blutrünstigen SPIEGELmenschen. Habe ich es «gemeistert»? Jedenfalls habe ich die wüsten Angriffe, die geradezu infamen Unterstellungen (Sie haben Ihr eigenes Buch nie gelesen, kein einziges Bild stimmt, das Buch ist eine einzige Blütenlese an Stilblüten) auffangen und mit wohl ziemlichem Temperament abwehren können – so viel «Temperament», daß während der Aufnahme, die eigentlich streng auf 20 Minuten eingegrenzt war, immer und immer wieder eine Kreidetafel DIE SENDUNG WIRD VERLÄNGERT, BITTE WEITERMACHEN reingetragen wurde. Habe mir diesen infamen Quatsch einfach nicht stumm bieten lassen, sondern nicht nur die denunziatorische SPIEGELmasche insgesamt, ihr Nicht-Recherchieren, wenn es ihnen eine Geschichte kaputtmachen könnte (nicht eine einzige Meldung, die je über mich im SPIEGEL stand, stimmte – aber das zu verifizieren war ihnen keinen Pfennig, kein Stadtgespräch wert) – sondern auch die Details nicht bieten lassen. Schönes Beispiel: Das Buch beginnt mit dem Bild, daß Bernd Leere ausgießen wollte – das sei ein unerträglich schiefes, falsches Bild. Auf meine sehr schnelle Rückfrage, warum es eigentlich so schief sei, ob er nie in einem Park einen leeren Baum, hohl, gesehen habe, der mit Beton ausgegossen sei – blieb er 1 ½ Minuten stumm –, was ich boshaft auch währen ließ. So habe er das nicht verstanden.
    En bref: Ich war/bin wohl der Sieger dieser Runde – von der man natürlich nicht weiß, ob die Sendung überhaupt laufen wird: 45 Minuten statt 20; vermutlich kommt ein Brief: «Bei näherem Nachdenken haben wir beschlossen …»
    Aber, und das ist eigentlich das Schlimmste: Im Auto erklärte mir dieser Namenlose, wie er mich als Feuilletonchef toll gefunden habe, wie schrecklich es im SPIEGEL zugehe, wo ein ewig betrunkener Augstein z. B. den neu eingestellten Stefan Aust der Mannschaft besoffen lallend als «vermutlich mein unehelicher Sohn» vorstelle und wie deshalb und der ewigen alkoholisierten Illoyalität Augsteins wegen der Herr Böhme nun wohl definitiv zum STERN ginge – – – – nicht bemerkend, das Bürschlein, offenbar, daß er selber, dort in Lohn und Brot und gegenüber mir, einem Geschmähten und Fremden, von einer Illoyalität zur anderen stolpert. Was für Pack.
    12. Januar
    Gestern grotesker Abend mit einem Mann namens Riehn, den ich vor 100 Jahren mal bei der Witwe Hasenclever in Südfrankreich kennengelernt und, da völlig mittellos, ohne Geld für die Rückreise, mit meinem ersten Porsche mit nach Deutschland genommen hatte – er kotzte mir den Wagen voll, weil seit Tagen ohne Essen; so vertrug er mein scharfes Bergfahren nicht.
    Hatte ihn

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