Tai-Pan
bekommt.«
»Das ist gut«, rief der Junge und trocknete sich seine Tränen. »Bruder Bert is' mein bester Freund.«
»Wo haben denn du und dein Papa gewohnt?« fragte Struan.
»In einem Haus. Mit Berts Mama zusammen.«
»Wo war das Haus, mein Junge?«
»Nahe dem Meer. In der Nähe der Schiffe.«
»Hatte dieser Ort einen Namen?«
»O ja, ›Hafen‹ hieß er. Wir wohnten in einem Haus im Hafen«, erklärte der Junge stolz. »Mein Papa hat gesagt, ich sollte Ihnen alles erzählen, alles, was wahr ist.«
»Wollen wir jetzt wieder zurückgehen? Falls du nicht noch etwas zu sagen hast?«
»O ja.« Fred knüpfte rasch das Bündel zusammen. »Mein Papa hat gesagt, ich soll es so wieder zusammenbinden, wie es war. Ganz geheim. Und niemandem was sagen. Wär' soweit, Euer Gnaden.«
Struan öffnete das Taschentuch. Mein Gott, was soll ich mit diesem Schatz anfangen? Ihn wegwerfen? Das kann ich nicht. Die Eigentümer finden? Wie denn? Es können Spanier, Franzosen, Amerikaner oder Engländer sein. Und wie soll ich einem Menschen erklären, wie ich zu diesen Schmuckstücken gekommen bin?
Er trat an das große Bett mit den vier Pfosten und rückte es von der Wand ab. Dabei bemerkte er, daß sein Abendanzug mit großer Sorgfalt ausgelegt war. Neben dem Bett kniete er nieder. Im Fußboden war ein eiserner Geldschrank eingelassen. Er öffnete ihn und legte das Bündel zusammen mit seinen privaten Papieren hinein. Dabei fiel sein Blick auf die Bibel, die die drei anderen Münzhälften enthielt, und er fluchte. Er verschloß den Geldschrank wieder, schob das Bett an seinen Platz zurück und ging zur Tür.
»Lim Din!«
Sofort erschien Lim Din mit glasigen Augen. Er strahlte.
»Bad ganz schnell!«
»Bad schon bereit, Maste'! Schon gut!«
»Tee!«
Lim Din verschwand. Struan ging quer durchs Schlafzimmer und betrat den Nebenraum, der ihm nur als Badezimmer und Toilette diente. Robb hatte gelacht, als er die Pläne sah. Trotzdem hatte Struan darauf bestanden, daß diese Neuerung so eingebaut wurde, wie er es sich gedacht hatte.
Die hochwandige Badewanne aus Kupfer stand auf einer niedrigen Plattform; ein Abflußrohr führte durch die Wand und in eine mit groben Felsbrocken gefüllte Grube, die er im Garten hatte ausheben lassen. Über der Badewanne war an den Deckenbalken ein eiserner Behälter mit Löchern aufgehängt. Vom Frischwassertank auf dem Dach führte ein Rohr, das mit einem Hahn versehen war, in diesen Behälter. Die Toilette bestand aus einem fest eingebauten Sitz mit abnehmbarem Deckel und einem Eimer, der sich für das nächtliche Bedürfnis herausheben ließ.
Die Badewanne war bereits mit heißem Wasser gefüllt. Struan zog sich seine scharf nach Schweiß riechende Kleidung aus und stieg in die Badewanne. Er genoß diese Bäder. Er lehnte sich zurück und blieb eine Weile ruhig im warmen Wasser liegen.
Die Tür zum Schlafzimmer wurde geöffnet, und May-may trat ein, gefolgt von Ah Sann, die ein Tablett mit Tee und heißem dim sum trug. Ihr dicht auf den Fersen kam Lim Din. Alle betraten das Badezimmer, und Struan schloß die Augen in stiller Verzweiflung; man hatte Ah Sam noch so oft erklären und sie deswegen bestrafen können, sie begriff trotzdem nicht, daß sie das Badezimmer nicht betreten durfte, während er badete.
»Hallo, Tai-Pan«, rief May-may mit einem strahlenden Lächeln, und seine ganze Gereiztheit verflüchtigte sich. »Wir werden zusammen Tee trinken«, fügte sie hinzu.
»Sehr schön«, antwortete er.
Lim Din sammelte die schmutzige Kleidung ein und verschwand. Ah Sam setzte das Tablett fröhlich ab, denn sie wußte, daß sie ihre Wette gewonnen hatte. Sie sagte ein paar Worte auf kantonesisch zu May-may, die diese zum Lachen brachten. Ah Sam kicherte, lief aus dem Badezimmer und schloß die Tür.
»Was, zum Teufel, hat sie gesagt?«
»Weibergeschwätz!«
Er hob den Schwamm hoch, um nach ihr zu werfen, aber May-may fügte hastig hinzu: »Sie hat gesagt, du wärst ein mächtig gebautes Stück von einem Mann.«
»Warum, um Himmels willen, kann Ah Sam nicht begreifen, daß ein Bad eine private Angelegenheit ist?«
»Ah Sam ist doch sehr privat, schon gut. Warum bist du so scheu, he? Sie hat eine Menge Stolz in sich. Du hast nichts, für was du scheu sein müßtest.« Sie zog ihr Gewand aus, stieg in die Badewanne und setzte sich ihm gegenüber ans andere Ende. Dann schenkte sie Tee ein und bot ihm die Tasse an.
»Danke.« Er trank den Tee, streckte dann seine Hand aus und aß ein
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