Tai-Pan
Horatio«, hatte er geantwortet, »wie in aller Welt können Sie sich denn den Teesamen beschaffen?«
»Ich habe es mir folgendermaßen vorgestellt: Ich werde mit dem Statthalter Tsching-so sprechen, Exzellenz, mit ihm ganz allein. Ich werde ihm erzählen, daß Sie ein großer Gärtner sind und die Absicht haben, Hongkong in einen Garten zu verwandeln. Ich werde ihn um je fünfzig Pfund Maulbeer- und Baumwollsamen, um Samen von Frühlingsreis, Kamelien und anderen Blumen und auch um den Samen verschiedener Teesorten bitten. Dann wird er hinter dem Tee nichts Besonderes wittern.«
»Er ist doch aber ein sehr gescheiter Mann, Horatio. Er muß sich selber sagen, daß von diesen Pflanzen kaum etwas auf Hongkong gedeihen wird. Wenn überhaupt etwas davon angeht.«
»Natürlich. Aber das wird er der besonderen Torheit der Barbaren zuschreiben.« Horatio war vor Erregung ganz außer sich.
»Aber wie in aller Welt wollen Sie ihn dazu bewegen, nicht über die Sache zu reden? Tsching-so wird es doch bestimmt den Mandarinen – oder den Co-hongs – weitererzählen, und die berichten es den Chinahändlern. Das ist klar. Und Sie wissen, daß diese verdammten Piraten Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Ihren Plan zu durchkreuzen. Denn die werden Sie und Ihren Plan gewiß durchschauen. Was ist mit dem Tai-Pan? Was Sie da planen, wird ihm mit Sicherheit den Boden unter den Füßen wegziehen, das wissen Sie doch auch. Oder etwa nicht?«
»Er ist reich genug, Exzellenz. Aber wir müssen diesen sündhaften Opiumhandel mit Stumpf und Stiel ausrotten. Das ist unsere Pflicht.«
»Richtig. Aber Chinesen wie Europäer werden diesen Plan erbarmungslos bekämpfen. Und sobald Tsching-so klar wird, was Sie wirklich im Schilde führen – und das kann gar nicht ausbleiben –, werden Sie das Saatgut niemals erhalten.«
Horatio hatte einen Augenblick nachgedacht. Dann antwortete er: »Stimmt. Aber wenn ich ihm sage, daß er mir damit einen Gefallen erwiese – denn ich würde Sie, als meinen Vorgesetzten, gern durch ein überraschendes Geschenk für mich gewinnen –, mir, der ich den Silberschatz unter mir habe und über die einzelnen Silberkästen verfügen kann – na ja, und vielleicht würde ich auch einmal einen Kasten nicht vermissen –, ich glaube, dann würde er es bestimmt vor allen anderen geheimhalten.«
»Wieviel ist ein solcher Kasten wert?«
»Vierzigtausend Silbertaels.«
»Aber dieses Barrensilber gehört doch der Regierung Ihrer Majestät, Horatio.«
»Gewiß. Bei Ihren Verhandlungen aber könnten Sie ›unter vier Augen‹ sich versichern lassen, daß ein Kasten Silber dabei ist, der amtlich nicht verbucht wird. Auf diese Weise kann die Krone gar nichts verlieren. Das Saatgut wäre ein Geschenk an die Regierung Ihrer Majestät, Sir. Mir wäre es eine Ehre, wenn Sie sagten, es sei Ihre Idee. Das war sie ja wohl auch, denn erst eine Andeutung, die Sie mir gegenüber gemacht haben, hat diese Gedankengänge bei mir ausgelöst. Daher gebührt Ihnen auch die Anerkennung dafür. Immerhin sind Sie der Generalbevollmächtigte und haben die Verantwortung zu tragen.«
»Sollte aber Ihr Vorhaben gelingen, ruinieren Sie nicht nur die Chinahändler, sondern graben sich selber das Wasser ab. Das ist doch sinnlos.«
»Das Opium ist ein fürchterliches Laster, Sir. Das rechtfertigt jedes Risiko. Außerdem ist meine Stellung mit Ihrem Erfolg eng verbunden, aber nicht mit dem Opium.«
»Aber wenn unser Plan Erfolg hätte, würden Sie dadurch mit Sicherheit das Fundament Hongkongs untergraben.«
»Ach, bis in Indien Tee zum Export geerntet werden kann, vergehen noch viele Jahre. Solange Ihre Generation lebt, ist Hongkong gesichert, Sir. Und Hongkong wird weiterhin der Umschlagplatz für den Handel mit dem Fernen Osten bleiben. Wer weiß schon mit Sicherheit, wie sich die Dinge im Lauf der Jahre entwickeln?«
»Dann darf ich wohl annehmen, daß Sie von mir erwarten, ich solle die Möglichkeiten eines solchen Teeanbaus mit dem Vizekönig von Indien erörtern?«
»Exzellenz, wer könnte diesen Gedanken – Ihren Gedanken – besser verwirklichen als Sie selbst?« Widerstrebend hatte er sich von diesen Argumenten überzeugen lassen, hatte aber Horatio nochmals die Notwendigkeit strengster Geheimhaltung eingeschärft.
Schon am nächsten Tag hatte Horatio ihm freudestrahlend berichten können: »Tsching-so ist einverstanden! Er hat gesagt, daß innerhalb der nächsten sechs Wochen oder zwei Monate die Kisten mit dem Saatgut in
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