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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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goß zwei Sherrys ein. Der Junge hat sich verändert, dachte er. Wirklich, sehr verändert. Ich bin stolz auf meinen Sohn.
    »Auf deine Gesundheit, Culum. Du hast alles sehr gut gemacht.«
    Culum nahm das Glas entgegen und starrte es an.
    »Auf deine Gesundheit, Vater.« Culum hatte den Tai-Pan ganz bewußt so angesprochen.
    »Ich danke dir.«
    »Dank mir nicht. Ich will eines Tages der Tai-Pan von Noble House werden. Aber ich möchte nicht in die Schuhe eines Toten treten müssen.«
    »Ich habe auch nie geglaubt, daß du das willst«, entgegnete Struan abweisend.
    »Sicher. Aber mir selber ist dieser Gedanke gekommen. Und ich weiß ganz sicher, daß mir der Gedanke nicht gefällt.«
    Struan fragte sich, wie sein Sohn solche Dinge so ruhig aussprechen konnte. »Du hast dich in den letzten paar Wochen sehr verändert.«
    »Vielleicht lerne ich mich allmählich selber kennen. In der Hauptsache liegt das an Tess – aber auch daran, daß ich sieben Tage lang allein gewesen bin. Da habe ich gemerkt, daß ich noch gar nicht imstande bin, die Sache allein zu machen.«
    »Teilt Gorth deine Ansicht – wegen der Schuhe eines Toten meine ich.«
    »Was Gorth meint, weiß ich nicht, Tai-Pan. Aber ich weiß, daß du meistens recht hast, daß ich Tess liebe und daß du dich sogar über alles hinwegsetzt, was du als richtig erkannt hast, nur um mir zu helfen.«
    Wieder fielen Struan Sarahs Worte ein.
    Nachdenklich trank er einen Schluck.
    Roger Blore war ein dunkelblonder junger Mann etwa Anfang zwanzig. Sein Gesicht wirkte ebenso kühl wie seine Augen. Seine Kleidung war teuer, aber abgetragen, seine kleine Gestalt hager. Die blauen Augen verrieten tiefe Erschöpfung.
    »Bitte nehmen Sie Platz, Mr. Blore«, sagte Struan. »Wozu eigentlich diese ganze Geheimnistuerei? Und warum müssen Sie mich allein sprechen?«
    Blore setzte sich jedoch nicht. »Sind Sie Dirk Lochlin Struan, Sir?«
    Struan war überrascht. Nur sehr wenige Menschen kannten seinen zweiten Vornamen. »Allerdings. Und wer sind Sie?« Weder das Gesicht des Mannes noch sein Name erinnerten Struan an irgend etwas. Aber die Sprache dieses Mannes war kultiviert – Eton, Harrow oder Charterhouse.
    »Darf ich einmal Ihren linken Fuß sehen?« fragte der junge Mann höflich.
    »Himmel noch eins! Sie unverschämter Grünschnabel! Sagen Sie endlich, was Sie wollen, oder raus mit Ihnen!«
    »Es ist Ihr gutes Recht, in Zorn zu geraten, Mr. Struan. Die Möglichkeit, daß Sie der Tai-Pan sind, ist fünfzig zu eins. Meinetwegen hundert zu eins. Aber ich muß ganz sicher sein, daß Sie wirklich der Mann sind, für den Sie sich ausgeben.«
    »Warum?«
    »Weil ich bestimmte Informationen für Dirk Lochlin Struan habe, den Tai-Pan von Noble House, dessen linker Fuß halb weggeschossen wurde – Informationen von höchster Wichtigkeit.«
    »Von wem?«
    »Von meinem Vater.«
    »Ich kenne weder Ihren Namen noch den Ihres Vaters, und dabei habe ich weiß Gott ein gutes Namensgedächtnis!«
    »Ich heiße auch gar nicht Roger Blore, Sir. Es ist nur ein Pseudonym – aus Sicherheitsgründen. Mein Vater sitzt im Parlament. Ich bin fast sicher, daß Sie der Tai-Pan sind. Aber bevor ich meine Informationen weitergebe, muß ich völlig sicher sein.«
    Struan zog den Dolch aus seinem rechten Stiefel heraus und hob den linken Fuß hoch. »Ziehen Sie mir den Stiefel aus«, befahl er, und seine Stimme klang drohend. »Aber wenn die Informationen nicht von höchster Wichtigkeit sind, dann schneid' ich Ihnen meine Initialen in die Stirn!«
    »Ich setze mein Leben als Pfand ein. Ein Leben gegen das andere.«
    Er zog Struan den Stiefel vom Fuß, seufzte erleichtert: auf und setzte sich erschöpft hin. »Mein Name ist Richard Crosse. Mein Vater ist Sir Charles Crosse, Mitglied des Parlaments für den Wahlkreis Chalfont St. Giles.«
    Struan war Sir Charles vor einigen Jahren zweimal begegnet. Zu jener Zeit war Sir Charles ein unbedeutender, mittelloser Landedelmann, ein eifriger Verfechter des Freihandels, der immer wieder auf die Bedeutung des Handels mit Asien hinwies und im Parlament beliebt war. All die Jahre hindurch hatte Struan ihn finanziell unterstützt und diese Aufwendungen niemals bereut. Es muß sich um die Ratifizierung handeln, dachte er erregt. »Warum haben Sie das denn nicht gleich gesagt?«
    Crosse rieb sich müde die Augen. »Dürfte ich um etwas zu trinken bitten?«
    »Rum, Branntwein, Sherry – bedienen Sie sich.«
    »Danke, Sir.« Crosse schenkte sich ein Glas Branntwein ein.

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