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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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amerikanische Faktorei lag, ein Echo. In einem der Fenster erschien ein Union Jack und flatterte tapfer im Wind.
    »Jetzt treffen wir lieber unsere Vorbereitungen zum Aufbruch«, sagte Brock. »Is' wohl das beste.«
    Struan antwortete ihm nicht. Er warf Mauss das Edikt zu. »Fertigen Sie mir eine Übersetzung von dem Ding an, Wolfgang«, sagte er und kehrte in seine Privaträume zurück.
    Ah Gip ließ ihn unter Verneigungen eintreten und ging wieder zu ihren Kochtöpfen. May-may war angezogen, lag aber auf dem Bett.
    »Was ist los, May-may?«
    Sie sah ihn zornig an, wandte ihm den Rücken zu, zog ihr Gewand hoch und entblößte ihr von den Schlägen verfärbtes Gesäß.
    »Das ist los!« rief sie, aber ihr Zorn war gespielt. »Sieh dir an, was du machen, du brutaler barbarischer fan-kwai! Ich muß entweder stehen oder auf mein Bauch liegen.«
    »Auf meinem Bauch«, verbesserte er sie und warf sich mißmutig in einen Sessel.
    May-may zog ihr Gewand wieder herunter und stand vorsichtig vom Bett auf. »Warum du nicht lachen? Ich hatte gedacht, das dich zum Lachen bringen.«
    »Tut mir leid, Kleines. Hätte lachen sollen. Aber ich habe an so viel zu denken.«
    »Woran?«
    Er machte Ah Gip ein Zeichen. »Du tun draußen, heja, versteh'?« und verriegelte die Tür. May-may kniete neben dem Topf nieder und rührte den Inhalt mit einem Stäbchen um.
    »Um drei Uhr müssen wir aufbrechen«, erklärte Struan. »Angenommen, du wolltest bis morgen in der Niederlassung bleiben, was würdest du tun?«
    »Mich verstecken«, erwiderte sie ohne Zögern. »In einem – wie sagt ihr? – in einem kleinen Oben-Raum dicht unterm Dach.«
    »Dachkammer?«
    »Ja. Dachkammer. Warum willst du bleiben?«
    »Meinst du, sie würden nach unserem Abzug die Faktorei durchsuchen?«
    »Warum bleiben? Sehr unklug zu bleiben.«
    »Glaubst du, die Bannermänner zählen uns bei unserem Abzug?«
    »Dieses gottverdammte Gesindel kann gar nicht zählen.« Sie räusperte sich laut und spuckte ins Feuer.
    »Wirst du wohl aufhören zu spucken!«
    »Ich dir so oft gesagt haben, Tai-Pan, es ist wichtig, weiser chinesischer Brauch«, erwiderte sie. »Das ist immer Gifte im Hals. Du wirst krank, wenn du sie nicht ausspuckst. Es ist sehr klug, sie auszuspucken. Je lauter du dich räusperst, desto größere Angst bekommt der Spuck-Gift-Gott.«
    »Das ist doch alles Unsinn, außerdem ist es eine ekelhafte Angewohnheit.«
    »Ajii jah«, rief sie ungeduldig. »Verstehst du denn kein Englisch? Zuweilen frage ich mich, warum ich mir die Mühe gebe, dir so viele zivilisationierte chinesische Weisheiten zu erklären. Warum sollen wir uns eigentlich hier verstecken? Es ist gefährlich, nicht mit den anderen wegzugehen. Es wird gefährlich schlimm, wenn die Bannermänner mich sehen. Wir werden Schutz brauchen. Warum sollen wir uns verstecken?«
    Er erzählte ihr von der Lorcha. Und vom Silber.
    »Du mußt großes Zutrauen zu mir haben«, sagte sie sehr ernst.
    »Ja.«
    »Was mußt du Jin-kwa dafür geben?«
    »Geschäftliche Zugeständnisse.«
    »Natürlich. Aber was sonst noch?«
    »Nichts weiter als geschäftliche Zugeständnisse.«
    Es folgte ein Schweigen.
    »Jin-kwa ist ein gerissener Mann. Er würde mehr als nur geschäftliche Zugeständnisse verlangen«, sagte sie nachdenklich. »Was für Zugeständnisse ich verlangen würde, wenn ich Jin-kwa wäre! Du mußt zu allem ja sagen. Zu allem.«
    »Was würdest du verlangen?«
    Sie starrte in die Flammen und fragte sich, was wohl Struan sagen würde, wenn er wüßte, daß sie Jin-kwas Enkelin war – zweite Tochter der fünften Frau seines ältesten Sohnes Hau-kwa. Und sie fragte sich, warum man ihr verboten hatte, es Struan zu sagen – unter der Androhung, ihr Name würde für immer aus den Schriftrollen gelöscht. Seltsam, sagte sie zu sich und erschauerte bei dem Gedanken, aus der Familie ausgestoßen zu werden, denn dies würde bedeuten, daß nicht nur sie, sondern auch ihre Nachkommen und deren Nachkommen und alle noch folgenden für alle Zeit aus dem großen Strom verbannt und damit der gegenseitigen Hilfe, des gemeinschaftlichen Schutzes beraubt waren – der Familie, des unerschütterlichen Felsens, der die Basis der chinesischen Gesellschaft bildete, dem einzig wirklich Wertvollen, das sich in fünftausend Jahren der Zivilisation und des Experimentierens als sicher und als ein kostbarer Besitz erwiesen hatte.
    Und sie fragte sich, warum man sie eigentlich Struan gegeben hatte.
    »Zweite Tochter von fünfter

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