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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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ein Vorhang vor einem bis dato verborgenen Fenster mit einem Mal zurückgezogen worden. Maja war nicht mehr wirklich allein. Wenn sie sich nicht gerade fürchtete, so wie eben in dem Albtraum mit Elisa in der Grotte, so war es eigentlich ein gutes neues Gefühl. Ungewohnt, aber spannend war es, und ausgelöst hatte es definitiv Keanu, oder besser gesagt der Haifischzahn um seinen Hals. Wie durch einen feinen Leuchtfaden aus Licht fühlte Maja sich mit einer Zeit verbunden, die längst nicht mehr existierte. Aber der Ort existierte noch. Und mit einem Mal war Maja sich so gut wie sicher, dass sie etwas sehr Wichtiges mit der Insel Kauai verband. Es war etwas, das sie brauchte, um sich für ihr eigenes Leben sicher zu sein. Vielleicht hatte auch Elisa so ein Gefühl, als sie, vom Hai in die Tiefe gezogen, immer tiefer ihrem Schicksal entgegensank.
    Aber es war nicht der Tod, der auf Elisa gewartet hatte, sondern vielmehr eine große und allumfassende Macht, die ihr Kraft und Zuversicht gegeben hatte. Sonst hätte sie ihr Leben vielleicht nie so gut meistern können. Denn immerhin war sie in ihrem Klan heute noch eine fast heilige Legende.
    Als Maja ihren nackten Körper frisch geduscht und eingecremt zwischen die kalten Laken gleiten ließ, sah sie erneut auf die Uhr. Es war halb vier Uhr morgens. Die Teufelsstunde, wie ihr Freund Stefan diese Zeit nannte. Grübelstunde. Tatsächlich bekam sie den Mann aus Kauai nicht aus ihrem Kopf. Immerzu sah sie seine Augen vor sich. Und auch wenn Maja es großartig fand, dass sich Keanu bei ihrem Abschied in der Parkgarage von Nizza in Zurückhaltung geübt hatte, war sie jetzt irgendwie wütend auf ihn. Fast bereute sie, dass sie nicht miteinander geschlafen hatten. Dann würde sie sich jetzt zwar Stefan gegenüber schuldig fühlen, aber die Sache wäre nichts weiter gewesen als ein kurzer Ausrutscher vor dem sicheren Hafen der Ehe.
    Maja wälzte sich hin und her. Wenn sie nicht an Keanu denken musste, dann war es Elisa, die ihr im Kopf herumspukte. Maja machte erneut das Licht an. Dann holte sie ihren Skizzenblock. Um nichts von dem Traum zu vergessen, brachte sie jedes noch so kleine Detail zu Papier und fügte eine kleine Zeichnung hinzu. Elisa in ihrem Kleid beim Abendessen im Salon. Elisa, die mit der kleinen Hildegard das Ständchen vorspielte. Elisa mit Johannes und Gerit Janson in der Kutsche. Elisa am Eingang der Grotte mit dem Mond im Hintergrund.
    Danach fühlte Maja sich ruhiger. Sie liebte das Zeichnen. Sie würde im neuen Jahr als Nebenfach Kunst an ihrer Schule unterrichten. Es war das Fach, auf das sie sich am meisten freute. Zeichnen beruhigte. Nachdem nicht nur Elisa, sondern auch Kelii zu Papier gebracht war, endete sie mit dem Hai. Der Hai, der in Elisas Oberschenkel beißt. Nun war alles zu Papier gebracht. Morgen würde Maja weitersehen. Vielleicht würde sie Keanu sogar von ihrem Traum von Elisa erzählen. Vielleicht …
    Erschöpft legte Maja sich wieder hin. In der Ferne hörte sie den ersten Hahn krähen. Ein Fischerboot tuckerte die kleine Bucht vor der Villa entlang. Es war noch nicht einmal sechs Uhr. Eine Stunde später würde schon ihr Wecker klingeln. Sie hasste es, wenn sie nicht ausgeruht war. Das war ihr letzter Gedanke, bevor sie endlich wieder einschlief.
    »Hallo. Wie geht es dir?«
    Forschend sah Keanu Maja an, als sie sich am nächsten Morgen vor dem Seminarraum trafen. In zehn Minuten würden die Vorlesungen beginnen. Maja würde unten bei den Neulingen sitzen und Keanu oben bei den Fortgeschrittenen seine erste Vorlesung des Tages halten. Maja lächelte ihn an, während sie erzählte, dass sie verdammt mies geschlafen hätte. Warum sollte sie ihn auch belügen? Aber sie erzählte nichts von ihrem Traum und von Elisas Vergewaltigung. Außer einem belanglosen Satz über den Vollmond und eine blaue Grotte brachte sie nur wenig über die Lippen. Ihr Herz klopfte einfach zu stark.
    Dabei hatte sie in der Früh alles Mögliche unternommen, um Keanu zu vergessen oder ihn zumindest ein wenig in sichere Distanz zu rücken. Sie hatte, während sie ihren selbst gemachten Cafe Crème am Morgen trank, zunächst mit Stefan und danach gleich mit Ina per Skype die wichtigsten Neuigkeiten ausgetauscht. Stefan hatte ihr am Bildschirm sofort angemerkt, dass etwas bei ihr nicht stimmte. Sie hatte es ihm als Sehnsucht nach ihm verkauft und sich sofort dafür verachtet. Maja fühlte sich so schuldig ihm gegenüber, dass ihr jedes ihrer Worte wie Heuchelei

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