Tal der Tausend Nebel
aufgeblasenen Wichtigtuern ins Wort zu fallen … nur weiter so!«
Seine letzten Worte hatte er ihr nur zugeflüstert, obwohl niemand in der Nähe stand. Elisa erwiderte nichts darauf, aber insgeheim freute sie sich sehr über dieses Kompliment. Dann fuhr Johannes in einem leichteren Tonfall fort: »Was das Tanzen betrifft? Nein, Sie haben mir im Fieberdelirium weder einen Tanz versprochen, noch haben Sie an Ihren ersten Ball auf Kauai gedacht. Sie waren meiner bescheidenen Meinung nach in ziemlich schlechter Verfassung, als wir uns das letzte Mal sahen. Noch nicht einmal vor Schmerzen geschrien haben Sie, obwohl der Hai Sie grausam zugerichtet hatte. Nein, Sie haben nicht gejammert oder geklagt, wie es sich für eine junge Frau unter großen Schmerzen gehören würde, sondern Sie haben stumm an die Decke gestarrt. Es war erstaunlich und gleichzeitig auch mehr als unheimlich. Ich war in Sorge, dass Sie uns vielleicht permanent verlassen würden, um zu Ihrem Vater in den Himmel zu gehen. Deshalb habe ich meine Geige in Ihr Zimmer gebracht und Ihnen darauf einen Walzer vorgespielt, als Ihre Mutter nicht da war. Sie hätte es nämlich sicherlich nicht erlaubt …«
»Sie haben was?«
Elisa glaubte, nicht richtig gehört zu haben, aber Johannes lachte.
»Sie haben ganz richtig gehört. Ich habe Ihnen im Krankenbett auf meiner alten Kindergeige einen Walzer vorgespielt, obwohl mein musikalisches Talent sich in Grenzen hält. Aber mir ist sonst einfach nichts eingefallen, was Sie aus Ihrer Starre hätte erlösen können. Und so eine quietschende Kindergeige …«
Die beiden Grübchen, die sich in seinen Wangen vertieften, während er sie strahlend anlächelte, bezauberten Elisa. Langsam dämmerte auch die Erinnerung in ihr. Die Mutter hatte ihr etwas von Johannes’ rührenden Bemühungen nach ihrem Unfall erzählt. Doch erst am Tag nach seiner Abreise war Elisa endgültig aus ihrer Schockstarre erwacht. Bei seinem letzten Besuch war sie wieder halbwegs bei sich gewesen, meinte Johannes, aber sicher war er sich darüber nicht. Zudem war Elisa viel zu entsetzt über ihre entzündete Wunde, um Interesse an einem neuen Freund zu haben. Die drohende Vorstellung einer Amputation hing über ihr wie ein Damoklesschwert.
»Es war eine schwere Zeit«, sagte Elisa knapp. Doch gleichzeitig versuchte sie, besonders aufrecht vor ihm zu stehen, um Johannes zu zeigen, dass ihr Bein inzwischen wieder so gut wie vollständig hergestellt war. Johannes war aber noch mit seinem Walzer beschäftigt.
»Es klang ungefähr so«, sagte er und begann mitten auf dem Hof eine kleine Walzermelodie zu pfeifen.
Elisa musste lächeln. Johannes pfiff ein wenig falsch, aber der Charme seiner Grübchen war einfach hinreißend.
»Klang der Walzer nicht eher so?«, fragte Elisa verschmitzt und summte ihrerseits ein paar Töne, allerdings nicht ganz so falsch im Rhythmus. Johannes nickte. Er erinnerte sich plötzlich daran, dass er damals wegen des Walzers mit Elisas Onkel Ärger bekommen hatte. Aber das seien seine beiden Besuche bei Elisa durchaus wert gewesen.
Eine Welle von warmen Gefühlen durchflutete Elisa im Nachhinein bei dem Gedanken, wie der stattliche junge Mann auf seiner Kindergeige für sie gespielt hatte.
»Danke, dass Sie damals mit Musik mein Bein retten wollten …«
»Gerne. Jederzeit wieder spiele ich für eine derartig hübsche junge Dame, die noch dazu charmant und reizend zu mir ist.«
Meinte Johannes seine Worte ernst, oder machte er sich über sie lustig? Elisa war sich nicht sicher und schenkte ihm vorsichtig ein kleines Lächeln.
»Ich weiß nicht, ob Ihre Worte in der Tat meine Persönlichkeit widerspiegeln. Aber wenn Sie länger hier bleiben, dann sollten Sie von vorneherein eins über mich wissen: Ich mag zwar ein weibliches Wesen sein, aber ich bin kein Schwächling. Ich benutze auch selten Tränen oder Hysterie, um meinen Willen durchzusetzen. Diese Art der weiblichen Methoden überlasse ich meiner Tante … Mir liegt eher eine trockene Argumentation.«
Elisa flüsterte. Scheinbar todernst sah sie Johannes in seine strahlend blauen Augen, die ihr Gesicht genau erforschten, und fuhr fort.
»Noch lieber würde ich bisweilen herumbrüllen, aber das verkneife ich mir lieber. Aber wie Sie vielleicht schon erfahren haben, errege ich überhaupt allgemeines Missfallen durch meine unweibliche Art. Das hat man Ihnen doch sicherlich schon hinterbracht, nicht wahr?«
Johannes schüttelte seinen Kopf. »Nein, denn ich bin
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