Tal der Tausend Nebel
Kanakas, mit einem Stipendium zu einem Studium fortgeschickt werden, vielleicht sogar bis nach Amerika oder Europa.
Clementia war von Anfang an begeistert von dieser Idee gewesen. Bevor sich ihr gesundheitlicher Zustand so rapide verschlechtert hatte, trug sich Elisas Mutter sogar mit dem Gedanken mitzuhelfen. Nach ihrer vollständigen Genesung wollte sie in der Schule der Malloys eventuell einen regelmäßigen Musikunterricht für die kleineren Kinder anbieten. Elisa hatte ihre Mutter in diesem Vorhaben unterstützt, aber Katharina war von Anfang an gegen die Idee dieser Schule.
»Nun? Gibt es etwas Neues von diesen unsäglichen Malloys? Oder ist ihr Schiff angenehmerweise auf der Überfahrt von England untergegangen?«
Elisa zuckte bei dem gehässigen Ton in der Stimmer ihrer Tante zusammen. Sie hatte von Kelii heute tatsächlich Neuigkeiten erfahren. Aber dieser Klatsch betraf nicht das Lehrerehepaar, sondern die neusten Pläne ihrer Tante Katharina. Mit Schaudern dachte Elisa an das ekelhafte heutige Gerücht, das Kelii ihr anvertraut hatte.
Die Zimmer des herrschaftlichen Holzhauses im Kolonialstil, in dem Paul und Katharina mit ihren Kindern wohnten, hatten durch die Dienerschaft viele Ohren. Deshalb wusste man im Dorf der Einheimischen im Tal der Tausend Nebel einiges, was Elisa und ihrer Mutter im abgelegenen Gästehaus verborgen blieb.
Unter den Einheimischen hatte Katharina keine einzige Fürsprecherin. Ihre hinterhältige Bosheit gegenüber den jungen Hausmädchen hatte sie unbeliebt gemacht. Doch Kelii hatte nicht über die Klagen der Hausmädchen mit Elisa gesprochen. Seine Sorge galt Elisa und ihrer Mutter. Eines der Mädchen, das ein wenig Deutsch konnte, hatte ein vertrauliches Gespräch der Eheleute in ihrem Schlafzimmer belauscht. Katharina hatte ihrem Mann angeblich ein Ultimatum gesetzt. Innerhalb eines Jahres sollten Clementia und Elisa von der Plantage verschwunden sein, sonst würde Katharina mit ihren Kindern ausziehen.
»Und, hast du heute keine Worte?«
Elisa schluckte. Sie würde sich irgendetwas Belangloses ausdenken, um Katharinas Sucht nach Klatsch zufriedenzustellen. Vielleicht eine geheime Liebesgeschichte zwischen einem der neuen Händler und einem der Hausmädchen aus Hanalei Bay. Ein paar skandalöse Details, aber keinerlei Namen, so wurde diese Art von Klatsch unter den Frauen weitergegeben. Elisa war gut darin geworden, sich vor Katharina zu verstellen, und servierte ihre kleine Geschichte. Dann kam Amala mit dem Säugling. Ihre Tante war eine kurze Weile beschäftigt, und Elisa trat ein paar Schritte beiseite, um sie mit ihrem Kind zu beobachten. Nicht das kleinste bisschen Freude strahlte die junge Mutter aus, als sie der Amme Anweisungen gab. Elisa wurde trotz des schönen Sommertages kalt.
Wie eine Giftspinne, die ihr Opfer langsam einwickelt, umgarnte Katharina ihren Mann mit bösen Gedanken, so hieß es im Dorf. Elisa war zunächst erschrocken über Keliis Berichte aus seinem Dorf gewesen. Aber als sie ihrer Mutter einmal davon erzählte, konnte Clementia ihre Schwägerin verstehen. Was trugen Elisa und sie auch schon groß zum Erfolg der florierenden Plantage bei? Nichts! Elisa war die ersten Monate als Krüppel ans Bett gefesselt gewesen, und Clementia war oft leidend. Die arme Katharina hingegen hatte vier Kinder zu versorgen und die Arbeit im Kontor blieb an Paul hängen.
Die Amme verließ mit dem Säugling das Zimmer, und Katharina wandte sich erneut Elisa zu.
»Könntest du mir meinen Zopf neu flechten? Das Hausmädchen hat sich heute derartig dumm angestellt, dass ich sie mit den Kindern in den Garten geschickt habe, bis du mit dem Malunterricht beginnst. Wärst du so nett? Wegen meinen Kopfschmerzen kann ich es heute nicht selber …«
So eine Bitte hatte ihre Tante noch nie vorgebracht. Elisa nickte gehorsam, halb in der Erwartung, dass sich zwischen ihnen vielleicht ein netteres Gespräch ergeben würde, als es sonst meist der Fall war. Sie begann vorsichtig, den Zopf zu lösen und Katharina ein wenig zu kämmen. Dabei bemerkte sie, dass ihre Tante jede Menge Haare verlor. Noch bevor sie die Bürste verschwinden lassen konnte, entriss Katharina sie ihr mit einem anklagenden Aufschrei.
»Siehst du, man kann als Frau gar nichts dagegen tun! Schon nach den Zwillingen habe ich so viele Haare verloren und noch dazu einen Zahn! Warte nur, bis es dir ebenso ergeht … Jahr um Jahr ein Kind.«
Elisa sagte ein paar belanglos verlogene Worte über Katharinas
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