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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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Urkunde steht. Ich weiß, es ist lästig, dass mein Bruder seiner Tochter schon lange vor seinem Tod die Hälfte der Plantage überschrieben hat, aber es war sein Wunsch. Er wollte es so, und das war sein gutes Recht.«
    »Wir können also rein gar nichts dagegen tun?«
    Katharinas Stimme klang angespannt und schrill. Der Anflug von weiblicher Sanftmut, den sie beim Abendessen mit Johannes an den Tag gelegt hatte, war vollständig verflogen.
    Elisa presste ihr Ohr an die hölzerne Tür, um noch besser verstehen zu können. Wieder sprach ihre aufgebrachte Tante.
    »Elisa strotzt vor Gesundheit. Nicht nur wird sie bestimmt heiraten, sondern sie wird sicherlich auch Kinder gebären. Jedes dieser Kinder wird laut der Urkunde ebenfalls erbberechtigt sein … Du musst zugeben, Paul, der Hai wäre eine saubere Lösung gewesen.«
    Elisa wich vor Schreck von der Tür zurück. Auch wenn sie über die Hausangestellten und Kelii davon Kenntnis hatte, dass sie von ihrer Tante nicht viel Gutes zu erwarten hatte, spürte sie diesmal den Hass, der aus ihren Worten sprach. Die Stimme ihrer Tante wurde noch lauter, wahrscheinlich, weil Paul seine Frau um ein wenig Mäßigung bat.
    »Wie kannst du nur so naiv sein, Paul? Glaubst du im Ernst, dass deine reizende Schwägerin und ihre Tochter uns gegenüber ehrlich und großzügig wären? Clementia ist ohnehin kein Problem. Sie ist viel zu unbedarft, um auf ihre Vorteile zu achten. Auch ist sie nicht von robuster Gesundheit. Der Doktor hat mir versichert, dass dieses Problem zumindest nicht mehr von allzu langer Dauer sein wird. Noch innerhalb dieses Jahres werden wir sie beerdigen können.«
    Elisa hielt vor der Tür ihren Atem an. Sie hoffte so sehr auf ein strenges Wort von ihrem Onkel. Er musste seiner Frau doch Einhalt gebieten. Doch im Schlafzimmer redete einzig und allein Katharina.
    »Was aber deine Nichte angeht … sie ist eine echte Gefahr. Bereits jetzt ist sie unter den Bediensteten sehr beliebt. Ich bin mir sicher, Elisa weiß diesen Vorteil für sich zu nutzen. Mir wäre deshalb wirklich lieb, wenn du die Hochzeit mit Gerit Janson so schnell wie möglich vorantreiben könntest. Spätestens im kommenden Frühling muss Elisa aus dem Haus sein …«
    Elisa hörte, wie ihr Onkel ergeben zustimmte, dann wurde es im Schlafzimmer ruhig. Elisas Atem ging jetzt flach und aufgeregt, als sie leise weiter den Korridor entlangschlich. In der Bibliothek angekommen, schloss sie leise die ledergepolsterte Tür hinter sich, und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Was für ein Schwächling ihr Onkel doch war!
    In ihrem Zimmer wartete Elisa einige Minuten später unruhig auf das verabredete Signal von Johannes. Ihre Gedanken kreisten immerzu um das soeben Gehörte. Es war noch um einiges schlimmer, als Kelii es ihr prophezeit hatte. Ihre Verwandten wollten ihre Mutter und sie so schnell wie möglich loswerden. Am liebsten wäre ihnen gewesen, wenn der Hai Elisa gleich nach der Ankunft auf Kauai verschlungen hätte. Dann hätten sie die Plantage ganz für sich behalten können. Das war das Ziel der beiden. Für Elisa und ihre Mutter war es eine fast ausweglos erscheinende Situation, aber vor allem war es eine schmerzliche Erkenntnis. Elisas Gefühl war von Anfang an richtig gewesen. Ihr Onkel liebte sie nicht und das tat weh. Immer hatte sie sich leicht vorstellen können, dass sie Katharina ein Dorn im Auge war. Doch ihrem Onkel hatte sie bisher vertraut.
    Andererseits musste Elisa zugeben, dass ihre Tante tatsächlich Anlass zur Besorgnis hatte. Elisa war sehr beliebt. Sie hatte in dem überstreng geführten Haus hinter dem eisernen Tor unter der Dienerschaft viele Verbündete, die ihre Tante abgrundtief hassten. Fast alle Plantagenarbeiter respektierten Elisa seit Großvater Hai sie ausgewählt hatte. Durch Kelii war sie etwas Besonderes. Einmal kam sogar eine Delegation von Hawaiianern von einer anderen Insel extra auf die Plantage, um Elisa zu bestaunen. Sie waren Kahuna und wollten sie anfassen und mit ihr beten, weil Großvater Hai sie zu Keliis Frau auserwählt hatte.
    Ihr Onkel hatte die fünf heiligen Männer und Frauen als minderwertige Scharlatane hingestellt und ihnen bei ihrem Besuch nicht einmal ein Glas Wasser angeboten. Aber als nach dem Besuch der Kahuna ein schwerer Sturm aufzog, der einen Teil seiner Ernte zerstört hatte, schlief ihr Onkel viele Wochen lang schlecht und hatte Albträume. Am Ende ließ Onkel Paul dann Keliis Vater kommen, um für ihn Gebete zu sprechen und

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