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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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so Abbitte für die verletzte Ehre der wichtigen Kahuna zu leisten.
    Aus Elisa würde einst eine Legende werden, wie Kelii ihr vorsichtig beibrachte, nachdem er länger mit den Kahuna gesprochen hatte. Elisa würde für die Einheimischen in Zukunft die weiße Haifischfrau werden, eine Ikone des Widerstands gegen die Habgier der Weißen. Elisas Onkel sah das nüchterner. Mit diesem angeblichen Wunderstatus seiner Nichte hatten vor allem einige mächtige Kahuna der Inseln etwas zu tun. Sie wollten Elisa und Kelii für ihre eigenen politischen Ziele missbrauchen.
    Offiziell lautete die Legende der Haifischfrau inzwischen folgendermaßen: Kelii hatte Elisa in den Augen der Kahuna keinesfalls vor dem Tod gerettet, als er ihr ins Wasser hinterhergesprungen war. Das wäre für die Kahuna als Erklärung zu einfach. So wie auch die weiße Gischt schon seit dem Anbeginn der Zeit auf einer rollenden Welle tanzte, waren das weiße Mädchen und Kelii schon seit Urzeiten füreinander bestimmt. Kelii war der Prinz ihrer Königsfamilie und Elisa eine Prinzessin ihrer Welt, sonst hätte der weiße Hai sie nicht mit sich in die Tiefe gezogen. Laut des Traums einer sehr einflussreichen Kahuna-Frau auf Maui waren Kelii und Elisa von Großvater Hai mit einer bestimmten Absicht als Paar auserwählt worden. Hoffnungsträger sollten sie werden für ein zukünftiges friedliches Miteinander auf den heiligen Inseln Hawaiis. Zwischen den Haole und den Kanaka sollte endlich ein dauerhafter Frieden entstehen, der für beide Seiten Glück und Wohlstand brachte.
    Elisa seufzte. Sie wusste inzwischen sehr viel über Keliis Kultur und hatte die Legenden seines Volkes studiert. Die Hawaiianer waren in der Vergangenheit alles andere als ein friedliches vereintes Inselvolk gewesen, sondern hatten sich über Jahrhunderte gegenseitig bekriegt. Es war kein Zufall, dass ihre derzeitige geliebte Königin Lili’uokalani das Kind einer hawaiischen Prinzessin und eines Schotten war. Auch diese Verbindung war von der Prophezeiung derselben einflussreichen Kahuna auf Maui als segensreich angekündigt worden. Weißes Blut sollte die zerstrittenen Inseln versöhnen. Doch das war nicht geschehen. Im Gegenteil, in letzter Zeit hatte sich vieles verschlimmert. Zum einen hatten die Weißen einige unheilvolle Krankheiten über das Meer zu den Inseln gebracht, die sich zu Seuchen entwickelt hatten. Die Hawaianer waren trotz der Weisheit ihrer Kahuna qualvoll und in Scharen an den Pocken gestorben. Daher hatten die alten Kahuna auf Maui unter ihrem Volk viel an Einfluss verloren.
    Aber auch die Verbindung des hawaiischen Königshauses mit Europa war Elisas Meinung nach schlecht für die Hawaiianer. Ihre naive Offenheit gegenüber den Weißen hatte viel Leid gebracht. Sie waren um ihr Land betrogen worden. Gesetze, die sie noch nicht einmal lesen konnten, nahmen ihnen zunehmend ihre Rechte. Seit Jahren flammten deswegen immer wieder Unruhen auf. Und seit die Königin unter Hausarrest von amerikanischen Söldnern stand, war die Balance zwischen den Einwanderern und den Einheimischen so empfindlich gestört, dass manche Kahuna gar einen Krieg prophezeiten.
    In den letzten Tagen hatte es vor allem auf der Insel Hawaii gewalttätige Unruhen gegeben, wie Elisa von Johannes erfahren hatte. Insgesamt gab es unter den Königstreuen über zwanzig Tote. Die Steine-Esser würden sich auch weiterhin den Anordnungen der lokalen Polizei widersetzen. Mittlerweile ließen sie sich auch nicht mehr wie gehorsame Schafe hinter Gitter sperren. Fünf hawaiische junge Männer hatten sich mit Steinen bewaffnet und einen amerikanischen Söldner zu Tode gesteinigt. Irische Polizisten hatten eingegriffen. In der eskalierenden Straßenschlacht hatte es insgesamt neunzehn Tote gegeben, zwölf davon auf Seiten der Polizei. Die irische Polizei, traditionell nur mit Knüppeln bewaffnet, war bei den Hawaiianern auf Steine, Messer und Macheten gestoßen. Es war ein Blutbad.
    Das Steine-Esser-Lied der Königstreuen sollte inzwischen von der Polizei auf allen Inseln Hawaiis an die Plantagenbesitzer verteilt werden, um einen Aufstand der Hawaiianer zu verhindern. Den Arbeitern sollte offiziell und bei Todesstrafe verboten werden, das Lied bei der Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern zu singen. Allerdings waren die Polizisten auf Kauai bisher noch nicht auf der Vogel-Plantage erschienen. Wie immer war Kauai dann doch zu abgelegen von den anderen Inseln, um von solchen politischen Aktionen direkt betroffen zu

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