Tal der Tausend Nebel
wenn es verrückt war, dass Elisa anfing, ihr eigenes Leben mit dem einer Unbekannten zu messen, gab Maja ihr die Portion Zuversicht, die ihr bis jetzt gefehlt hatte.
Elisa atmete tief durch, stellte sich noch einmal Majas Gesicht in allen Einzelheiten vor, und beschloss, das Spiel von Janson mitzuspielen. Diplomatie und Gehorsam konnte ihre Mutter haben, auch wenn es vielleicht ein Abschiedsgeschenk werden würde.
»Ich habe mich gerade entschlossen, Ihr Angebot anzunehmen, Herr Janson. Gerne mache ich mit Ihnen und Johannes den Ausflug in die Blaue Grotte.«
Fast übermütig prostete Elisa in die Runde.
»Will vielleicht noch jemand mitkommen?«
Aber Elisa blieb die Einzige. Ihre Mutter nickte ihr dankbar, wenn auch ein wenig verhalten zu, so als würde sie sich bereits Sorgen machen. Katharina hingegen lächelte mehr als zufrieden. Teil davon war ein perfides Rachegefühl gegen die jüngere und hübschere Konkurrentin um die Gunst der männlichen Aufmerksamkeit. Die Siegerin im Schönheitswettbewerb war Elisa zweifellos und für jeden Mann mehr als sichtbar an diesem Abend. Später einmal würde ihre Mutter sagen, dass Elisa nie wieder derartig blühend und einladend aussah wie an diesem erinnerungswürdigen Abend, der ihr Leben für immer verändern sollte.
Die anderen Gäste trugen die unterschiedlichsten Kommentare über die Schönheit und die Besonderheit des magischen Ortes der Blauen Grotte bei, denn außer Elisa war jeder von ihnen bereits einmal dort gewesen und hatte etwas zu erzählen. Nur Johannes schien erneut merkwürdig abwesend. Wieder mied er Elisas Blick. Janson hingegen freute sich lautstark über die Ehre, derjenige zu sein, der Elisa die Blaue Grotte als Erster zeigen durfte.
»Der Erste zu sein, der mit Ihnen dieses Erlebnis teilen wird, das ist wirklich eine ganz besondere Freude. Großartig, meine Liebe, wirklich großartig … Glauben Sie mir, diese Nacht werden Sie nie vergessen!«
Er hatte erneut sein Glas gehoben und trank es mit einem einzigen Zug leer, so als hätte er einen kleinen Sieg zu feiern. Die anderen jedoch waren merkwürdig still, allen voran Johannes.
Elisa zwang sich im Laufe des Abends dazu, ihre dunklen Gefühle ganz und gar zu verdrängen. Katharinas feierlicher Geburtstagsabend bot auch ihr eine willkommene und verdiente Abwechslung. Allein die sinnliche Schönheit der Tischdekoration und die vielfältigen und köstlichen Speisen von Marie van Ween waren es wert, sämtliche düsteren Gedanken für die restlichen vergnüglichen Stunden von sich zu schieben.
Passend zu dem feierlichen Anlass war der Tisch mit Silber, kostbarsten Kristallgläsern und dem feinen Porzellan aus China gedeckt worden. Farbenprächtige, traditionelle Leis aus wildem Ingwer, Orchideen und dem roten Jasmin aus dem Garten waren von Elisa und ihren Cousinen bei jedem Gedeck platziert worden. Die größte der Blumenketten, ganz aus zarten Orchideenblüten, lag am Kopfende um Katharinas Teller herum. Zwischen den Tellern lagen zartrosa Muscheln, die Hildegard und die Zwillinge für ihre Mutter extra am Strand gesammelt hatten.
Dennoch durften die kleinen Mädchen nicht an dem feierlichen Abendessen teilnehmen. Nachdem Elisa auf ausdrückliches Bitten ihres Onkels bereits am frühen Abend mit Hildegard das missratene Ständchen vor den Gästen aufgeführt hatte, mussten die Mädchen den Salon wieder verlassen. Sie aßen in der Küche. Die Erwachsenen sollten unter sich sein, um erwachsene Gespräche führen zu können, so hatte Katharina es für den Abend bestimmt. Doch augenscheinlich hatte Hildegard es vor Neugierde nicht mehr ausgehalten. Jedenfalls sah Elisa sie mehrmals kurz hinter der Terrassentüre. Natürlich verriet sie ihre Cousine nicht, hoffte aber, dass Hildegard die derben Sprüche von Janson über das Decken seiner jungen Stuten durch einen neuen Hengst nicht begreifen würde. Noch vor dem Dessert verschwand das Kind. Sicher war es zu Bett gegangen.
Nach dem Dessert verebbte das Tischgespräch, das teilweise äußerst amüsant gewesen war, vor allem durch den Humor des alten Fried. Jetzt sprach hauptsächlich der Pfarrer, dessen monotone Stimme Elisa auch in der Kirche regelmäßig einschläferte. Der Mann war ein entsetzlicher Langweiler. Aber Elisa versuchte, ihrer Mutter zuliebe so zu tun, als ob sie der endlose Monolog über weitere Neuankömmlinge aus China interessieren würde. Aber in Wirklichkeit war sie mit ihren Gedanken woanders.
Sie musste an Kelii denken. Sie
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