Tal der Träume
Bequemlichkeit. Er fühlte sich unausgeruht und steif vom Reiten und war hungrig, doch der Regen zerstörte jede Aussicht auf ein warmes Frühstück. Er ließ das Pferd grasen und aß Brot, kaltes Fleisch, Käse und harten Zwieback, der nach Kuhmist roch.
Als er wieder auf der Straße war, fragte er sich, was er überhaupt hier draußen machte. Von Anfang an hatte er sich über Zacks Haltung geärgert, der tat, als sei er der Boss und Williams Sohn nur eine Nebenfigur. Was Myles jedoch am meisten störte, war die Tatsache, dass sein Vater Yorkey zu Zack geschickt hatte und nicht zu ihm.
Die Hamiltons hatten getan, als sei das völlig normal, doch was mochten sie hinter seinem Rücken reden? Was hatte William ihnen ausrichten lassen? Dass er sich nicht auf seinen Sohn verlassen könne? Dabei kannte er diese Straßen so gut wie jeder andere. Schließlich war er im Territorium aufgewachsen!
Mit dem Tageslicht kehrte auch sein Selbstbewusstsein wieder, und er legte bis zum Mittag vierzig Meilen zurück. Doch da er nicht wusste, wo Yorkey steckte, machte es keinen Sinn, weiterzureiten. Er befand sich vermutlich in der Nähe der Schlucht, und was konnte er in dem gefährlichen, von kriegerischen Schwarzen bewohnten Terrain, das dahinter lag, allein ausrichten? Yorkey hatte gesagt, Mimimiadie befinde sich in Begleitung von fünf wilden Männern. Sechs gegen einen, dazu noch Yorkey als unbekannter Faktor.
Als er sich über einen Weg aus rotem Schlamm mühte, entdeckte Myles Dingospuren. Ihm fiel ein, dass sich weiter rechts ein Ausguck in Form eines unvermittelt aufragenden Felsens befand. Vor Jahren war er einmal mit seinem Vater dort hinaufgestiegen. Die Aborigines nannten ihn »Ort wo Dingos heulen« oder so ähnlich, doch für Myles und seine Freunde war es immer nur der Dingo-Ausguck gewesen. Er entschied, hinaufzuklettern und sich umzuschauen.
Dieses Vorhaben verlieh ihm neue Kraft. Von dort oben konnte man die ganze Ebene überblicken bis hin zu den massigen Hügeln, hinter denen sich die Schlucht verbarg. Mit etwas Glück konnte er Yorkey oder andere Reisende entdecken, die ihm helfen würden. Dennoch, er hätte von Beginn an die Polizei hinzuziehen sollen, denn Mimimiadies Ruf war ungeheuerlich. Es war Wahnsinn, ihm zu vertrauen. Sobald er sein Kind zurück hatte, würden alle Zusagen wertlos sein.
Die rauchfarbenen Wolken hingen tief, die Sonne blitzte nur gelegentlich hindurch, doch es war immer noch brütend heiß. Myles wischte sich mit einem Taschentuch über das Gesicht und trank den Rest des Wassers aus der Feldflasche. Als er sie wegpackte, vermeinte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung zwischen den Bäumen an der Straßenbiegung zu entdecken … Pferde, bestimmt hatte er Pferde gesehen! Er preschte los, brach durch die Büsche – und fand sich einigen Stieren gegenüber. Sie schauten ihn drohend an, rührten sich aber nicht von der Stelle. Vorsichtig wandte er sich von den gesenkten Hörnern ab und ritt durch die Büsche davon, wobei er die Felsformation, die hoch über die Baumwipfel ragte, ständig im Auge behielt.
Numinga sah die beiden Pferde kommen. Sie näherten sich auf einem Weg, nicht mehr als ein schwaches Band aus roter Erde, das sich kaum von der Farbe des Busches abhob. Eines der Pferde war ohne Reiter. Es musste Yorkey sein, der ein Ersatztier für Oatley mitbrachte. Aber hatte er auch Mimimiadies Jungen bei sich? Hoffentlich. Numinga hatte bereits gefürchtet, die weißen Männer hätten Yorkey windelweich geprügelt und Mimimiadies Aufenthaltsort aus ihm herausgepresst. Niemand interessierte sich für das Schicksal schwarzer Kinder.
Er kletterte hinunter. Beim Näherkommen erkannte er Yorkey, den Jungen vor sich im Sattel, und führte einen Freudentanz auf. Am liebsten hätte er ihm einen Willkommensgruß entgegengerufen, doch das musste warten. Es war denkbar, dass Yorkey und der Junge als Köder dienten, Mimimiadie hatte es ihm eingeschärft. Möglicherweise wurden sie mit oder ohne Yorkeys Wissen von Weißen verfolgt.
Zögernd stieg er wieder hinauf und zündete ein Feuer an. Als es brannte, legte er feuchtes Laub auf und schützte es mit einem Stück Rinde vor dem Wind. Dann lehnte er sich zufrieden zurück und sah zu, wie sich die Rauchspirale träge emporkräuselte. Auch die anderen würden Wache halten und das Signal bemerken. Und sie würden wissen, dass er gute Kunde brachte, denn das ununterbrochene Rauchzeichen bedeutete Frieden.
Myles war nach zwei Jahren
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